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Tamara
Scheer156
de Gemengelage von Nationalitäten,4 Religionen und Sprachen. Tatsächlich finden
sich diese (zum allergrößten Teil positiv gedeuteten) Attribute bereits vor dem Ende
der Habsburger Monarchie. Trotz aller positiven Stereotypisierung fand kontinuier-
lich eine Beschäftigung mit der Nationalitätenfrage im Zusammenhang mit der
gemeinsamen Armee statt; auch ihre Angehörigen befassten sich unaufhörlich da-
mit. Es wurde die Frage nach ethnischer/nationaler Identität des Einzelnen eben-
so gestellt wie jene, wie diese statistisch zu erfassen sei. Die Armeeangehörigen
waren nie unbeeinflusst vom herrschenden Zeitgeist, wonach der Sprachgebrauch
(und in manchen Fällen die Religionszugehörigkeit) mit einer ethnischen Zuge-
hörigkeit gleichgesetzt wurde. Und aus diesem Grund findet sich dieser Grund-
gedanke auch in den bürokratischen Strukturen der gemeinsamen Armee wieder.
Eine Armee, besonders eine, die sich durch eine allgemeine Wehrpflicht rekrutiert,
ist niemals losgelöst von der Zivilgesellschaft beziehungsweise zivilen politischen
Diskussionen. Nach drei- und später zweijähriger Dienstzeit kehrten die Soldaten
wieder in ihr Zivilleben zurück.
Dieser Beitrag widmet sich der k.(u.)k. Armee sowie ihren Angehörigen; er
nimmt den Zeitraum nach dem Ausgleich mit Ungarn und den Verfassungsge-
bungen (1867) in den Blick, die so genannte lange Friedenszeit, und endet mit dem
Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914. Bereits bei der Mobilisierung im Sommer
1914 wurde selektiv einzelnen Nationalitäten, insbesondere der tschechischen, ita-
lienischen und serbischen, von vornherein von Seiten der Armeeführung Miss-
trauen entgegengebracht und Gewalt gegen eigene Staatsangehörige gerichtet.
Während des Krieges kamen noch, dafür aber in Massen, die Ruthenen hinzu.5
Angehörige sämtlicher Nationalitäten dienten vor 1914 in der k.u.k. Armee als Sol-
daten, Unteroffiziere und Offiziere. Die Armeeführung, die Offiziere wurden (in
den Quellen aus der Zeit vor 1914) und werden (in der Literatur) gerne als supra-
national bezeichnet.6 Dies schloss im Umkehrschluss aber nicht aus, dass sie sich
ihrer/einer nationalen Herkunft bewusst waren. Doch darf das Bewusstsein für
eine nationale Zugehörigkeit nicht gleichbedeutend mit einem illoyalen Verhalten
gegenüber dem Kaiser und der Habsburger Monarchie gewertet werden. Dies geht
aus vielen Selbstzeugnissen der Offiziere, aber auch der einfachen Soldaten deut-
lich hervor. Es war gleichzeitig möglich, überzeugter Tscheche zu sein und den-
noch für die Gesamtmonarchie einzutreten.
4 | Der Begriff »Nationalitäten« meinte im zeitgenössischen Sprachgebrauch der Donau-
monarchie jene ethnischen Gruppen, die aufgrund der österreichischen Verfassung Rechte
erhielten und deren Sprache offiziell anerkannt war.
5 | Insbesondere der Ausnahmezustand gab der staatlichen Führung Machtmittel in die
Hand, den »Krieg« gegen die eigene Bevölkerung effizienter zu organisieren. Vgl. dazu
Scheer, Tamara: Die Ringstraßenfront. Österreich-Ungarn, das Kriegsüberwachungsamt und
der Ausnahmezustand während des Ersten Weltkriegs. Wien: BMf. LV 2010. Als nur ein Bei-
spiel für die Situation der italienischsprachigen Bevölkerung Tirols vgl. Überegger, Oswald:
Der andere Krieg. Die Tiroler Militärgerichtsbarkeit im Ersten Weltkrieg. Innsbruck: Wagner
2002; vgl. auch Healy, Maureen: Vienna and the Fall of the Habsburg Empire. Total War and
Everyday Life in World War I. Cambridge: Cambridge University Press 2004.
6 | Als nur ein Beispiel: Deák, István: Der K.(u.)K. Offizier. 1848–1918 [1990]. Übers. v.
Marie-Therese Pitner. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 21995.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur