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Konstruktionen von ethnischer Zugehörigkeit und Loyalität 159
nisse stets mit zu berücksichtigen. Selbst wenn sie in deutscher Sprache schrieben,
kann nicht auf eine deutsche Nationalität geschlossen werden. Es war eben jene
Sprache, in der sie sich am besten ausdrücken konnten und die sie (im Dienst) täg-
lich praktizierten.
Dieser Beitrag stellt einen Nebenpfad meines aktuellen Forschungsprojekts zur
Sprachenfrage in der k.u.k. Armee dar. Dafür habe ich in den letzten Jahren sowohl
die Entscheidungsfindung in den höchsten militärischen Institutionen als auch
Selbstzeugnisse und Publikationen ausgewertet, die vor 1914 entstanden sind und
die Armee und ihre Nationalitäten- und v.a. Sprachenfrage behandeln. Dabei gehe
ich davon aus, dass das Recht, die eigene Sprache zu benützen, die dafür notwendi-
ge Bürokratisierung und die folgende Diskussion in der Öffentlichkeit dazu beitru-
gen, die Armee zu nationalisieren, gleichzeitig aber eine positive Identifikation mit
der Armee beziehungsweise eine daraus resultierende loyale Haltung gegenüber
dem Reich und Kaiser entstehen zu lassen.9
Der zahlenmäßig weitaus größte Teil der relevanten Quellen befindet sich im
Kriegsarchiv des Österreichischen Staatsarchivs. Obwohl viele Selbstzeugnisse
in deutscher Sprache verfasst sind, bieten sie ein breites Spektrum an ethnischer
Herkunft. Dennoch habe ich danach getrachtet, die Perspektive auch auf jene Of-
fiziere auszuweiten, deren Nachlässe nicht in Wien aufbewahrt werden. Bei der
Auswertung der autobiografischen Texte, die nicht für die Öffentlichkeit verfasst
wurden, wie Tagebücher oder Briefe, muss selbstverständlich Berücksichtigung
finden, dass sie nicht konfliktfreie Alltäglichkeiten, sondern Besonderheiten, die
aus der Norm fielen, beinhalten. Da die Offiziere gezwungen waren, alle paar Jahre
ihren Dienstort zu wechseln, oft radikal von einer Ecke der Monarchie in eine an-
dere versetzt wurden, mit Rekruten, die nicht derselben Nationalität und Sprache
waren, finden sich Vorurteile und Konflikte häufiger, weil sie eben mit einer völlig
anderen Kultur und Sprache konfrontiert waren.10 Andererseits boten die häufi-
gen Versetzungen die Möglichkeit, Vergleiche anzustellen, die auf persönlichem
Erleben fußten. Die Beschäftigung mit Identitäten ist allerdings auch abhängig
von der Persönlichkeit des Autors und davon, wie viel Raum er der Frage nach
ethnischen Identitäten einräumte. Manche beschäftigen sich unaufhörlich damit,
andere so gut wie nie. Bei manchen ist ein unsympathischer Vorgesetzter einfach
nur unsympathisch, während ein anderer dies mit dessen Nationalität in Verbin-
dung bringt.
Neben den unveröffentlichten Selbstzeugnissen und den veröffentlichten Me-
moiren berücksichtige ich auch die so genannte k.u.k. Literatur. Als deren promi-
nenteste Vertreter sind wohl Jaroslav Hašek (Osudy dobrého vojáka Švejka za světové
války/Der brave Soldat Schwejk, 1921–23/1923) unter besonderer Berücksichtigung
der Tschechen oder Józef Wittlin (Sól ziemi/Das Salz der Erde, 1935/1937) unter be-
sonderer Berücksichtigung von Polen, Ruthenen, Ungarn und Huzulen zu nen-
9 | Dieses Argument greift auf: Judson, Pieter M.: The Habsburg Empire. A New History. Cam-
bridge: Harvard University Press 2016, S. 368.
10 | Vgl. Scheer, Tamara: Garnisonswechsel. Arbeitsmigration und deren Auswirkungen auf
das österreichisch-ungarische Offizierskorps (1868–1914). In: Bethke, Carl (Hg.): Migration
im späten Habsburger-Imperium. Tübingen [in Druck]. Allgemein zu den vom Staat erhofften
Vorteilen der Arbeitsmigration vgl. auch Evans, Robert J. W.: Language and State Building:
The Case of the Habsburg Monarchy. In: Austrian History Yearbook 35 (2004), S. 1-24.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur