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Konstruktionen von ethnischer Zugehörigkeit und Loyalität 167
seines deutschen Namens« als einen » Vollblutcroate[n] aus der Militärgrenze«.32
Wohlgemuth wurde im syrmischen Mitrovica (heute Sremska Mitrovica in Serbien)
geboren. Gemäß seinem Personalakt war er römisch-katholischer Bürgerssohn,
der offenbar genauso gut Deutsch und Serbisch sprach.33 Dass in seinem Fall als
Katholik nicht Kroatisch als vermeintliche Muttersprache genannt worden ist, mag
daran liegen, dass er in einem Regiment mit serbischer Regimentssprache diente.
Derartige Schilderungen, wonach vom Familiennamen nicht auf eine Nationa-
lität geschlossen werden konnte, finden sich auch bezüglich der Zivilwelt. Es stellt
daher nicht unbedingt eine Besonderheit der k.u.k. Armee dar. Roda Roda schrieb
über eine böhmische Gemeinde: »noch war der Gemeinderat deutsch geblieben,
mit dem Bürgermeister Benesch an der Spitze. […] Zwei Jahre später […] [war] die
Beseda […] Trumpf – und Bürgermeister der Tscheche Kämpf. Ist es nicht östrei-
chisch: daß der Tscheche Kämpf hieß und der Deutsche Benesch?«34 Was diese
Schilderungen in jedem Fall aber zeigen, ist, dass das Offizierskorps nicht in je-
nem Sinne supranational war, dass seine Mitglieder kein Zugehörigkeitsgefühl zu
einer Nationalität besessen hätten oder sich keiner bewusst gewesen wären. Viel-
mehr waren sie Tschechen oder Ungarn und standen dennoch loyal zur Armee,
zum Kaiser und zum Reich.
Roda Roda, der selbst lange Zeit, bis zu einer Verletzung, Berufsoffizier in der
k.u.k. Armee gewesen war, verwies im obigen Zitat darauf, was für ihn typisch
österreichisch war. Tatsächlich finden sich in den Selbstzeugnissen häufig Re-
flexionen darüber, welches Verhalten beziehungsweise welche Personen österrei-
chisch waren oder zumindest so empfunden wurden. Der technische Offizier, Karl
Nowottny, fügte seinen Erinnerungen aus meinem Leben eine Erklärung dafür bei,
was den einzelnen Offizier generell anfälliger machte, Österreicher zu sein oder
österreichisch zu denken. Offenbar war es ihm ein Anliegen, gleich beim Antreten
des Militärdienstes in einer Garnison als erste Anmerkung folgenden Hinweis an-
zuführen:
Aus allen Teilen unseres alten, großes Reiches rekrutierten sich die Zöglinge der Militärbil-
dungsanstalten [in seinem Fall die Technische Militärakademie] und erzeugte naturgemäß
die gemeinsame Erziehung in denselben einen einheitlichen Geist, jeder Offizier fühlte sich
als Österreicher, wenn er auch weiter die Liebe zu seiner engeren Heimat weiterpflegte. Bei
den Söhnen der Offiziere, die ja einen großen Teil des Akademienachwuchses bildeten, trat
das Österreichertum noch schärfer hervor, weil sie durch die wechselnden Garnisonen der
Väter naturgemäß nicht eine derart scharf geprägte Heimatliebe kannten, wie sie etwa dem
Sohne eines Gutsbesitzers oder eines an einem Orte sesshaften Bürgers eigen war.35
Während bei Nowottny die angehenden Offiziere ihre Herkunft pflegen konnten,
dennoch Österreicher waren, liest es sich beim deutsch-affinen General Moritz
32 | ÖStA/KA/NL, B/862, Nr. 1, Adolf Stillfried von Rathenitz: Erinnerungen aus meinem
Leben, Teil 2, S. 19.
33 | Vgl. ÖStA/KA/Qualifikationsliste, Martin Wohlgemut, geb. 27.9.1845 in Mitrowitz in
Syrmien.
34 | Roda Roda: Roda Rodas Roman. München: Drei Masken 1925, S. 104f.
35 | ÖStA/KA/NL, Karl Nowottny, B 417:13, Bd. 1: Erinnerungen aus meinem Leben wäh-
rend der Zeit von 1868–1918 [o.S.].
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur