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Tamara
Scheer168
Auffenberg-Komarów gänzlich anders. Dieser äußerte sich folgendermaßen über
die Schüler eines Kadetteninstituts:
Diese sollten den Rahmen für ein Offizierskorps abgeben, das gewissermaßen den spezi-
fischen Machtausdruck des kaiserlich österreichischen Staatsgedankens repräsentierte.
Daran hätten alle Nationen partizipieren sollen, allerdings bei Ausschluß eines speziellen
Nationalgefühls, wenn dies nicht etwa ein gemäßigtes Deutschempfinden war, da man den
Unterrichts- und Ausbildungsmodus auf deutscher Basis aufgebaut hatte. Österreichisch-
deutsch, besser gesagt: habsburgisch-deutsch (schwarz-gelb) und nicht etwa großdeutsch
(schwarz-rot-gold). Es war ein »Germanisieren zwecks Austriazisierens«.36
Auffenberg-Komarów war nicht der einzige Autor, der den deutschen Charakter
der Armee sowie dessen Aufgabe zu »germanisieren« hervorhob. Doch sind diese
in der Minderzahl. Sein ebenfalls deutsch-affiner Kollege, Carl Freiherr von Bar-
dolff, war der Einzige, der sich in seinen Memoiren rühmte, keine weitere Sprache
erlernt zu haben. Er nutzte familiäre Kontakte, um in ein rein deutschsprachiges
Regiment versetzt und aus diesem Milieu nicht mehr wegbeordert zu werden.37 Da
diese Autoren aber in deutscher Sprache schrieben, werden sie häufig über Gebühr
kolportiert. Aussagen wie jene Auffenberg-Komaróws kehren häufig als Kritik-
punkte und Befürchtungen in den Parlamentsdebatten wieder. Im Umkehrschluss
finden sich in den allermeisten Selbstzeugnissen keinerlei Befürchtungen oder
Aussagen darüber, dass die Armee allgemein versucht hätte, Soldaten und Offizie-
re zu germanisieren. Sie zeigen aber auch, dass einzelne Personen immer wieder
darauf abzielten, indem sie andere Nationalitäten und ihre Sprache gegenüber dem
Deutschen herabzusetzen versuchten.
Was einen österreichischen Offizier daher ausmachte, war, wie Nowottny es
(etwas übertrieben harmonisch) formulierte:
Diese Spannung war aber keinesfalls in dem prononcierten Hervortreten des Deutschtums
im österreichischen Offizierskorps zu suchen, da derselbe nicht übermäßig national dachte,
sondern sich wirklich als Großösterreicher bekannte und gegen keine der verschiedenen Na-
tionalitäten eingenommen war, sondern mit mustergültiger Toleranz jeden als Österreicher
aufnahm, der sich hiezu bekannte und nicht subversiven Neigungen frönte.38
Bei den genannten »subversiven Neigungen« schlossen viele Offiziere aber keine
Nationalität aus beziehungsweise dachten dabei lediglich an die als illoyal stigmati-
sierten, wie Tschechen und Italiener. Denn mehr als hundert Seiten und demnach
viele Jahre später schreibt Nowottny: »Festungskommandant General Braun war
ein Deutschböhme, fühlte sich sehr als Deutscher und hing mit rührender Liebe
an seiner engeren Heimat, war aber durch und durch Österreicher.«39 Dies lässt
den Schluss zu, dass auch ein zu überbetontes Deutschtum als negativ und anti-
österreichisch eingestuft wurde.
36 | Auffenberg-Komarów: Aus Österreichs Höhe und Niedergang, S. 14.
37 | Vgl. Bardolff, Carl Freiherr von: Soldat im alten Österreich. Erinnerungen aus meinem
Leben. Jena: Eugen Diederichs 1938, S. 44f.
38 | ÖStA/KA/NL, Karl Nowottny, B 417:13, Bd. 1, S. 62.
39 | Ebd., S. 196.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur