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Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
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Tamara Scheer170 ganz persönlichen Erfahrungen mit einzelnen Kameraden. Nicht selten übertru- gen sich diese Erfahrungen mit Einzelpersonen dann verallgemeinernd auf eine Haltung gegenüber der gesamten Nationalität. Am häufigsten wurden Nationali- täten thematisiert, die allgemein als zur Illoyalität tendierend angesehen wurden oder sich besonders nationalistisch denkend gerierten. Meist sind die abwerten- den Meinungen mit weiteren negativen stereotypen Attributen verknüpft, wie ›be- sonders eitel‹, ›macht Schulden‹, ›hat eine exzessive Lebensführung‹, aber auch positiven wie ›tapfer‹, ›loyal‹ und ›genügsam‹. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Bei den Recherchen in den Selbstzeugnissen von Offizieren bin ich wiederkehrend auf Aussagen über einen bestimmten Offizier gestoßen. Dies ist insbesondere in- teressant, da er keine überregional bekannte Militärpersönlichkeit war. Dennoch scheint es, dass er aus mehreren Gründen auf die unterschiedlichsten Personen einen bleibenden und notierenswerten Eindruck hinterlassen haben dürfte. Die Schilderungen über ihn sind stets mit seiner ethnischen Zugehörigkeit und mit Stereotypen verknüpft. Es handelt sich um Raimund Gerba, der 1849 in Ogulin (heute Kroatien) geboren wurde. Er verstarb noch während des Ersten Weltkriegs, im März 1918, in Abbazia (heute Opatija in Kroatien). Gemäß Personalakt war er ein Offizierssohn, der es bis in den Generalsrang geschafft hatte. Nach seiner Reli- gionszugehörigkeit war er griechisch-orientalisch, was die k.u.k. Bezeichnung für serbisch-orthodox war. Für das Jahr 1897 bescheinigt ihm sein Vorgesetzter folgen- de Sprachkenntnisse: Deutsch und Kroatisch – vollkommen, Slovakisch – gut und Französisch – etwas.42 Da er in Kroatien heimatzuständig war, besaß er die unga- rische Staatsbürgerschaft. Der Personalakt spricht sich nicht über die Nationalität aus. Interessant wäre zu wissen, ob ihn die Militärstatistik zu einem Kroaten oder Serben gemacht hat. Die Frage, ob er nun Kroate oder Serbe sei, ist auch jene, die sich in den Selbstzeugnissen seiner Kameraden wiederfindet. Die Mehrheit seiner Offizierskameraden beziehungsweise Untergebenen be- zeichnete ihn als Kroate. Franz Karl Ginzkey, der als junger Leutnant unter ihm gedient hatte, setzte das Attribut »ein waschechter« hinzu.43 Es fand sich aber auch eine gegensätzliche Zuschreibung. Gerbas Stabschef, Eduard Zanantoni, dessen Wurzeln in den italienischsprachigen Teilen der Habsburger Monarchie lagen, be- scheinigte ihm: »Gerba war ein Serbe.« Zanantoni dürfte ihn persönlich nicht sehr geschätzt haben, denn er fügte seiner Aussagen hinzu, nachdem ihm die serbi- sche Bevölkerung bei einem Empfang zugejubelt hatte: »Wiewohl ich den Serben – ihrer berüchtigten Falschheit wegen – nie vertraute[,] mögen diesmal ihre Will- kommensrufe vielleicht aufrichtig gemeint gewesen sein.« Dennoch unterstellte er Gerba keine Illoyalität gegenüber der Monarchie oder dem Kaiser generell. Aller- dings war Zanantoni mit der lokalen Nationalitätenfrage eventuell weniger vertraut als jene, die Gerba als Kroaten auswiesen. Zanantoni stieß sich bei einem Diner für den griechisch-orientalischen Patriarchen besonders daran, dass die Festanspra- chen in »serbischer« Sprache gehalten wurden – die er nicht verstand. Zanantoni fühlte sich wohl zurückgesetzt und befürchtete, sich bei Gerba nicht profilieren zu können. Er unterstellte Gerba auch eine besondere Affinität zur lokal ansässigen »serbischen« Bevölkerung der Garnison. Er ging sogar so weit, diese Ablehnung 42 | Vgl. ÖStA/KA/Qualifikationslisten, Raimund Gerba, geb. 1.5.1849. 43 | Ginzkey, Franz Karl: Der seltsame Soldat. Leipzig: L. Staackmann 1925, S. 128. Der Autor war ebenfalls Offizier und diente als Leutnant unter Gerba.
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Transdifferenz und Transkulturalität Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Titel
Transdifferenz und Transkulturalität
Untertitel
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Autoren
Alexandra Millner
Katalin Teller
Verlag
transcript Verlag
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-3248-8
Abmessungen
15.4 x 23.9 cm
Seiten
454
Schlagwörter
transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
Kategorie
Kunst und Kultur
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