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Tamara
Scheer172
fragen, da viele sich bessere Chancen in der Armee Deutschösterreichs erhofften,
wenn sie in diese Rubrik »deutsch« eintrugen.47
5. resümee
Die Nationalitäten- und Sprachenfrage war das dominierende politische Thema der
späten Habsburger Monarchie. Mit ihr gingen Fragen nach Identität und Loyali-
tät sowohl ganzer ethnischer Gruppen als auch von Einzelpersonen einher. Dem
Zeitgeist entsprechend wurde Mehrsprachigkeit nicht gefördert, niemand wurde
seines Rechtes beraubt, nur in seiner Muttersprache zu leben. Des Weiteren war
es common sense, dass das wichtigste Kriterium einer ethnischen Zugehörigkeit die
Sprache war. Die sich stetig verdichtenden bürokratischen Strukturen wie Volks-
zählungen machten es für den Einzelnen unmöglich, sich einer Zuordnung zu
einer Nationalität zu entziehen. Dies war gerade für jene schwierig, die mehrspra-
chig waren, weil sie aus gemischtsprachigen Regionen stammten oder weil ihre El-
tern zwei unterschiedlichen Nationalitäten angehörten. Die imperialen bürokrati-
schen Strukturen trugen somit dazu bei, die Bevölkerung zu nationalisieren. Auch
die als supranationale Institution propagierte Armee der Habsburger Monarchie
machte hier keine Ausnahme. Ihre Verwaltungspraxis lehnte sich an diese Grund-
haltungen an. Es gilt daher ihre Statistiken kritisch zu hinterfragen. Unabhängig
von der jeweiligen Überzeugung des Soldaten und des Offiziers kreierte die Mili-
tärbürokratie für ihn eine Nationalitäten-Zugehörigkeit, v.a. nach dem Kriterium
des Sprachgebrauchs. Da diese Statistiken in der Öffentlichkeit diskutiert wurden
und der Soldat nach seiner Sprache in eine sprachlich und damit ethnisch homo-
gene Ausbildungseinheit aufgenommen wurde, hatte die Verwaltungspraxis ganz
reale Auswirkungen.
liTeraTur
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ner. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 21995.
47 | Diese Fragebögen lassen sich häufig als Beilage in den Personalakten ehemaliger
k.u.k. Offiziere finden.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur