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Ingrid Puchalová
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Pseudonyme oder erfanden mithilfe eines Heteronyms eine eigenständige Verfas-
serpersönlichkeit.20 Von den fünf in dieser Studie präsentierten Autorinnen, die in
der Zeit der Österreichisch-Ungarischen Monarchie schriftstellerisch tätig waren,
haben vier mindestens einen von ihren Texten nicht unter ihrem eigenen Namen
veröffentlicht.
1893 erschien in Wien unter ihrem eigenen Namen Seltenreichs Sammelband
Tante Emmas Lustspiele für junge Mädchen. Wie sie im kurzen Vorwort ihres Büch-
leins schreibt, »schwebte [ihr] beim Schreiben stets das Ziel vor Augen, belehrend
[zu] unterhalten«,21 wobei sie v.a. das weibliche Publikum vor Augen gehabt habe.
Weiter heißt es: »… da ich seit Jahren auf dem Felde der Erziehung wirke, glaube ich
keinen Fehler gethan zu haben, wenn ich unsere Mädchen-Bühnenliteratur durch
einige Lustspiele zum Gebrauche bei Schul- und Familienfesten vermehre.«22 So
eine Formulierung ist in den von Frauen verfassten Werken überhaupt nicht neu – in
den Vorbemerkungen zu ihren Büchern betonen sie oft den pädagogischen Aspekt
und drängen künstlerische Ansprüche eher zurück.
Die pädagogischen und erzieherischen Absichten sind auch in den Texten von
Karoline Fasser-Schmid nicht zu übersehen. Noch 1901 verhüllt die Autorin ihre
Geschlechtsidentität und veröffentlicht ihre erste Novellensammlung Tausendschön
unter dem männlichen Pseudonym Erwin Steinau. In der in Briefform geschriebe-
nen Titelnovelle Tausendschön bemüht sich die Autorin sogar, die Männerperspek-
tive einzunehmen. Ihr Ich-Erzähler, Autor der fiktiven Briefe, ist ein gegen seinen
eigenen Willen im französischen Orléans weilender Journalist und Schriftsteller.
Die Langeweile in der fremden Stadt macht ihn »poetisch«23 und »schreibselig«,24
sodass es ihn »förmlich in den Fingern juckt«,25 also schreibt er Briefe an seinen
alten Freund in Wien. Die Männersprache und Männerperspektive gelingen aber
Fasser-Schmid nur zum Teil. »Wir Männer sind in dieser Hinsicht eigentlich
furchtbar – naiv; wir bilden uns alle ein, jedes Mädchen warte schon auf uns und
sei überglücklich, die dargebotene Hand erfassen zu können … Warum aber gera-
de ich für die Eitelkeit des ganzen Geschlechts büßen muß, ich, der ich wahrlich
nicht zu den Eingebildetsten gehöre…«26 Der kleine Novellenband erschien in dem
zur damaligen Zeit bekannten E. Pierson’s Verlag in Dresden, der 1889 Bertha von
Suttners Roman Die Waffen nieder! aufgelegt hatte. Ihre weiteren Texte veröffent-
lichte Karoline Fasser-Schmid allerdings schon unter ihrem eigenen Namen.
20 | Vgl. Kord, Susanne: Sich einen Namen machen: Anonymität und weibliche Autorschaft
1700–1900. Stuttgart/Weimar: Metzler 1996; Hilmes, Carola: Vom Skandal weiblicher Au-
torschaft. Publikationsbedingungen für Schriftstellerinnen zwischen 1770 und 1830. In:
dies.: Skandalgeschichten. Aspekte einer Frauenliteraturgeschichte. Königstein i.T.: Ulrike
Helmer 2004, S. 43-60.
21 | Seltenreich, Emma: S. Verehrte Eltern, Erzieher und Kinderfreunde! – Leseransprache.
In: dies.: Tante Emmas Lustspiele für junge Mädchen. Wien [o.V.] 1893 [o.S.].
22 | Ebd.
23 | Steinau, Erwin [Karoline Fasser-Schmid]: Tausendschön. In: dies.: Tausendschön.
Dresden/Leipzig: E. Pierson 1901, S. 3-30, hier S. 4.
24 | Ebd.
25 | Ebd.
26 | Ebd., S. 26.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur