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Ingrid Puchalová
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auf hohen Felsen erbaut, zeugen von verschwundener Pracht und dabei die würzige, kräftige
Tannenluft.30
In Katschers Worten spürt man zwar die Begeisterung für ihre alte Heimat, sie
zeigt sich aber als keine große Meisterin des Erzählens. Auch die Atmosphäre
im Schwefelbad Trentschin-Teplitz, das um 1900 v.a. von russischen, polnischen,
preußischen und ungarischen Patientinnen und Patienten besucht wurde, kom-
mentiert sie in einem Satz. »Man konnte Nationalitätsstudien anstellen; das thaten
denn auch Doktor Klaus und Heller, und sie verwickelten sich in eine interessan-
te Debatte, da ihre Geschmacksrichtung eine verschiedene war.«31 Die Ergebnisse
dieser Nationalitätsstudien und Inhalte der interessanten Debatte erfährt man je-
doch nicht.
2. idenTiTäT als frau
In der Moderne wird das Frauenbild in der deutschen Literatur stark ausdifferen-
ziert; in den Fokus von Romanen, Erzählungen und Dramen rücken so unter-
schiedliche weibliche Stereotypen wie die femme enfant, die femme fragile, die femme
fatale sowie der Blaustrumpf, das süße Mädel, die alte Jungfer und die Hysterikerin.
In den von uns untersuchten literarischen Texten deutschsprachiger Autorin-
nen aus dem Gebiet der Slovakei lässt sich diese Vielfalt nur schwer feststellen,
eher kann von einem gewissen Paradigmenwechsel die Rede sein. Von der rela-
tiv autonomen, aktiven Frau der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu der eher
passiven, empfindsamen, auch wenn besser gebildeten Frau der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts. Die Frauencharaktere in den von uns untersuchten Texten
entsprechen dem traditionellen Rollenbild um 1900. Die Frauen in bürgerlichen
Kreisen waren für den häuslichen Binnenraum, die Familienbeziehungen, Emo-
tionen, Reproduktion, Transmission kultureller Werte des Bürgertums und alle
›Frauenangelegenheiten‹ zuständig.
Zwar befassen sich die von uns untersuchten Autorinnen in ihren Texten mit
der Alltagsrealität bürgerlicher Mädchen und Frauen in einer patriarchalischen Ge-
sellschaft und setzen sich gleichzeitig mit der so genannten Frauenfrage, der Frage
nach der Stellung der Frau in der Gesellschaft, Familie und Arbeitswelt auseinan-
der. Es geht aber keinesfalls um eine kritische Auseinandersetzung im Sinne einer
spezifischen Frauenliteratur jenseits der gängigen Unterhaltungsromane, wie sie
sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der frühen Moderne herausgebildet hat.
Berta Katscher skizziert zwar unterschiedliche Frauentypen (wie z.B. frischver-
mählte junge Mädchen, Ehefrauen, aber auch Mägde), diese sind jedoch noch rela-
tiv stark ihren Rollen verhaftet. Die Autorin behandelt Themen wie höhere Schul-
bildung, Universitätsstudium, Berufsausbildung und Berufstätigkeit ebenso wie
Liebe, Ehe, Kindererziehung oder Geschlechterverhältnis und wählt dafür Gattun-
gen wie die Humoreske oder die kurze Erzählung, in denen sie nur selten über die
Grenzen der Unterhaltungsliteratur gelangt. Als Erzählsituation wählt sie eine he-
30 | Ungar, Ludwig [Berta Katscher]: Er bleibt ein Hagestolz. In: dies.: Aus Bädern und Som-
merfrischen. Wien: Österreichisch-Ungarische Volksbücher 1890, S. 29-46, hier S. 38.
31 | Ebd, S. 39.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur