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Eva
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(1867–1957), Fritzi Massary (1882–1969) und Adele Moraw (1877–1942) – und die
alle mehrfach ihren Wohnort aus beruflichen (später auch aus politischen) Grün-
den wechselten, auf die Spuren dieser Reise- und Migrationserfahrung im Leben,
Werk und Denken hin untersucht werden. Alle vier gehören in etwa einer Genera-
tion an, sie sind zwischen 1867 und 1882 geboren, und sie sind allesamt Kinder der
k.u.k. Monarchie, wie sie aus dem »Ausgleich« zwischen Österreich und Ungarn
1867 entstanden ist. Drei von ihnen haben nicht nur den Ersten, sondern auch den
Zweiten Weltkrieg um Jahrzehnte überlebt und sind sehr alt geworden.
Freilich geht es hier nicht in erster Linie um die private Person, sondern v.a. um
die künstlerische Persona – also um die Verbindung von Selbstpräsentation in der
Öffentlichkeit und ihrer Rezeption, aber natürlich auch um Charakteristik und Ge-
staltung der Rollen.14 Die vier Bühnenkünstlerinnen decken sehr unterschiedliche
Genres ab: Während Tilla Durieux als Ensemblemitglied von Max Reinhardt und
später Mitstreiterin von Erwin Piscator zu den Vertreterinnen der schauspieleri-
schen Avantgarde gezählt werden kann, war Fritzi Massary einer der berühmtesten
Berliner Revuestars, wurde später als Operettendiva gefeiert und ist mit anzügli-
chen Chansons berühmt geworden. Adele Moraw trat als Soubrette in Varietés auf
und war v.a. in Großbritannien ein gefeierter Star, und Julie Kopacsy war Operet-
tensängerin und wurde für ihre Wienerlied-Interpretationen berühmt.
Zentrale Fragen dieser Untersuchung berühren etwa das Verhältnis von Selbst-
und Fremdbestimmung im Leben und im Werk dieser Frauen, den Vergleich der
(Presse-)Rezeption ihres Schaffens in der (alten) Heimat, am Hauptwohnort und
international, die durchaus wandelbare nationale Zuordnung der Bühnenkünstle-
rinnen, die Lösung (oder Bewahrung) familiärer Bindungen und die Erfahrungen
von Großstadt und Anonymität, die Entstehung und Festigung eines bestimmten
Images oder Typus der Künstlerinnenpersona, aber auch ihre künstlerischen Ambi-
tionen und Errungenschaften, ihre öffentlichen Posen, ihre politischen Aussagen.
1. Julie Kopacsy: Von der inTernaTional gefeierTen
opereTTensängerin zur gaTTin des TheaTerunTernehmers
Karczag in wien
Julie Kopacsy ist die älteste der hier vorgestellten Künstlerinnen. Sie wurde am
13. Februar 1867 in Komorn/Komarno/Komárom, an der heutigen ungarisch-
slovakischen Grenze geboren. Sie machte eine Ausbildung zur Koloratursänge-
rin an der Budapester Musikakademie15 und trat schon während dieser Zeit in
bedeutenden Opernpartien wie der Rosina in Rossinis Barbier von Sevilla oder in
der Titelpartie von Flotows Martha in der aufstrebenden ungarischen Metropole
14 | Vgl. zum Begriff der Persona in Bezug auf Schauspielerinnen dieser Epoche: Watzka,
Stefanie: Die ›Persona‹ der Virtuosin Eleonora Duse im Kulturwandel Berlins in den 1890er
Jahren: »Italienischer Typus« oder »Heimathloser Zugvogel«? Tübingen: Francke 2012, ins-
besondere S. 17-21.
15 | Vgl. Linhardt, Marion: Inszenierung der Frau – Frau in der Inszenierung. Operette in Wien
zwischen 1865 und 1900. Tutzing: Schneider 1997, S. 307.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur