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Nomadische Berufspraxis und Attraktion der Großstadt 247
auf.16 Im Jahr 1889 nahm sie ein Engagement am Operettentheater von Debrezin/
Debrecen in Ostungarn an und feierte dort mit ihrer ersten Rolle – der Fiametta
in Franz von Suppés Boccaccio – große Erfolge.17 1891 kam sie als Nachfolgerin
der Diva Ilka Pálmay18 ans Volkstheater (Népszínház) in Budapest, dort heiratete
sie auch ihren Mann, den aus Ostungarn stammenden Journalisten und Bühnen-
schriftsteller Wilhelm (Vilmos) Karczag. Im Jahr 1894 wurde sie an das Wiener
Carltheater, eines der renommierten Operettentheater der Reichshauptstadt ver-
pflichtet, ihr Mann folgte ihr. In der Wiener Presse wurde sie als »Liebling der
Budapester« angekündigt, die der »deutschen Sprache vollkommen mächtig«19
sei. Ihr Wiener Debüt machte sie in der Titelrolle der Uraufführung von Edward
Jakobowskis Operette Die Brillantenkönigin20 – einer Operette, die nicht nur im Va-
rieté-Milieu spielt, sondern auch eine ganze Kompanie von Varieté-Künstlerinnen
und -künstlern auf die Bühne bringt und schließlich in einer satirischen »Als-Ob-
Choreographie«21 die Varieté-Attraktionen der »Brillantenkönigin« Betta und des
Artistenakademie-Direktors Della Fontana präsentiert. Dies geschieht in einem
»Großen Actions Duett«, das von der Darstellerin Kopacsy und dem Darsteller Bla-
sel viel pantomimisches und komisches Talent erforderte und das schließlich in
einem »Serpentinentanz« im Stil der amerikanischen Tänzerin Loïe Fuller, die
gerade auf den europäischen Varietébühnen Furore machte, gipfelte.22 In der Neuen
16 | Vgl. Art. Kopacsy-Karczag, Julie, Sopran. In: Kutsch, Karl J./Riemens, Leo: Großes
Sängerlexikon. 4., erw. u. akt. Aufl. Bd. 4: Kainz – Menkes. Hg. u. Mitw. v. Hansjörg Rost.
München: Saur 2003, S. 2457.
17 | Vgl. ebd.
18 | Die Operettensängerin Ilka Pálmay hatte einige Jahre vor Julie Kopacsy eine ganz ähn-
liche Karriere – über das Volkstheater in Budapest kam sie nach Wien, ans Theater an der
Wien, wo Kopacsy einige Jahre später erneut in ihre Fußstapfen trat. Ilka Pálmay war eine
jener Operettendiven, die durch humor- und temperamentvolles Spiel, mondänes Auftreten,
charmantes und pikantes Äußeres und gewaltigen Aufwand bei ihren Kostümen großen Er-
folg beim Publikum hatte, deren Stimme jedoch eher als dünn bezeichnet wurde, so dass
beim direkten Vergleich der beiden ungarischen Sängerinnen Julie Kopacsy ihrer älteren
Kollegin stimmlich deutlich überlegen war. Vgl. Linhardt: Inszenierung der Frau, S. 270-273.
19 | NN: Im Carl-Theater. In: Neuigkeits-Welt-Blatt v. 20.3.1894, S. 10.
20 | Vgl. digitalisierter Theaterzettel aus dem Österreichischen Staatsarchiv: www.archivin
formationssystem.at/bild.aspx?VEID=2693922&DEID=10&SQNZNR=1 (zuletzt eingesehen
am 12.11.2015).
21 | Zur Veranschaulichung hier ein kleiner Ausschnitt aus dieser Szene als direktes Zitat
aus dem Zensurlibretto: »Della Fontana (als ob er einen Korb niederstellen würde): So, da
ist der Korb mit den Requisiten (als ob er ihr Gegenstände zuwerfen würde) Da – ein Stäb-
chen – da ein Teller –/Betta (fängt die Sachen anscheinend auf, als ob sie sich ein Stäbchen,
worauf ein Teller rotiert, auf die Nase stellen würde – ein zweites auf die Stirn, ein drittes
auf die Zähne)/Della Fontana (wirft ihr dann anscheinend kleine Kugeln zu, die sie auffängt
und links und rechts mit den Händen jonglirt, entsprechende Schluß Pointe dann Kusshänd-
chen, wobei sie zurücktänzelt und unter graziösen Verbeugungen lächelnd den Applaus
hinnimmt).« Jakobowski, Edward: Die Brillantenkönigin. [Zensurlibretto]. Niederösterreichi-
sches Landesarchiv, St. Pölten, zit. n. Linhardt: Inszenierung der Frau, S. 318f.
22 | Vgl. Linhardt: Inszenierung der Frau, S. 314-322. Vgl. auch die Karikatur von Julie
Kopacsy im »humoristischen Wochenblatt« Figaro v. 31.3.1894 [o. S.].
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur