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Eva
Krivanec256
Richard Schultz eigens für »die Massary« bearbeitet, die Titelrolle deutlich er-
weitert und mit »pikanteren« Verszeilen versehen. In Massarys wie immer mit
äußerster Bedachtnahme auf neueste Moden gewählten Kostümen kündigten sich
bereits die Zwanziger Jahre an.73
Nach dieser langen Reihe erfolgreicher Auftritte überrascht es beinahe, dass
der Höhepunkt in Fritzi Massarys Karriere erst in die Zeit der Weimarer Republik
fällt. Nach dem Weggang von Richard Schultz74 löste auch sie Ende 1919 den Ver-
trag mit dem Metropol-Theater und wechselte zu den drei von Rudolf Bernauer und
Carl Meinhard geleiteten Bühnen, trat dort am Berliner Theater von Anfang an als
Sensation, als der Operettenstar an der Spitze eines ihr »zuarbeitenden« Ensemb-
les auf.75 Nun war es so, dass Titelrollen nicht mehr nur adaptiert, sondern eigens
für sie geschrieben wurden. Zu den typischen »Massary-Operetten« der folgenden
Jahre zählten etwa Leo Falls Die spanische Nachtigall (1920) und Madame Pompa-
dour (1922) oder Oscar Straus’ Die Perlen der Cleopatra (1923), welche letztere sie
gemeinsam mit ihrem Mann, dem Charakterkomiker Max Pallenberg, und dem
bald zu großem Ruhm gelangenden Richard Tauber am Theater an der Wien zur
Uraufführung brachte.76
Es sind von Fritzi Massary im Grunde keine Fotografien erhalten, die sie nicht
in Pose zeigen – in der Pose der Diva, die sie bereits in den Bildpostkarten zu
ihren Revue-Auftritten im Metropol-Theater entwickelte: das Spielbein leicht vom
Boden gehoben, die Spitze gestreckt, das Kleid gerade so weit gelüpft, wie es der
Dezenz geziemte.77 Später kamen dann noch jene Fotografien hinzu, die stilsicher
ihren Hang zum Luxus, zu Geschwindigkeit und modernem Leben porträtierten,
so etwa mit drei Schoßhündchen vor einem luxuriösen Maybach im Berliner Tier-
garten posierend.78
Den Gipfel der Selbstreferenzialität erreichten die Massary-Operetten mit der
1932 uraufgeführten Eine Frau, die weiß, was sie will von Oscar Straus (mit einem
Libretto von Alfred Grünwald). Massarys Abgang von der Bühne als selbstbewusste
Diva – durch die nun möglich gewordenen antisemitischen Pöbeleien und Störaktio-
nen von Nationalsozialisten in ihren Vorstellungen wesentlich beschleunigt – wurde
darin vorweggenommen. Im Auftrittslied dieser Operette gibt sie einem Reporter
in ihrer Garderobe ein Interview, in dem sie jedoch nichts preisgibt, was sie nicht
längst als ihr Image aufgebaut hat und dennoch freigiebig von sich zu sprechen
scheint:
73 | Vgl. Frey: »Unter Tränen lachen«, S. 123-125. Vgl. die Fotografien Fritzi Massarys in
ihren Kostümen der Faschingsfee: www.gettyimages.at/detail/nachrichtenfoto/singer-ac
tress-austria-21-03-1882-portrait-in-the-nachrichtenfoto/548816983 und www.gettyima
ges.co.uk/detail/news-photo/singer-actress-austria-21-03-1882-portrait-in-the-operet
ta-news-photo/548812473 (beide: Ullstein Bild, 1918; zuletzt eingesehen am 12.11.2015).
74 | Vgl. Schneidereit: Fritzi Massary, S. 59.
75 | Vgl. ebd., S. 65-67.
76 | Vgl. ebd., S. 80f.
77 | Vgl. Matala de Mazza, Ethel: ›O-la-la‹. Auftritte einer Diva. In: Brandl-Risi, Bettina/
Brandstetter, Gabriele/Diekmann, Stefanie (Hg.): Hold it! Zur Pose zwischen Bild und Per-
formance. Berlin: Verlag Theater der Zeit 2012, S. 225-246, hier S. 231f.
78 | Vgl. ebd., S. 225-227.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur