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Antagonismen und (Trans-)Differenzen 273
hörigkeit zu einer monolithischen ethnokulturellen Nation miteinander verbindet.
Šenoas Opus spielt in der nationalen Kultur eine repräsentative Rolle mit seiner
»zentripetalen und mobilisierenden nationalen«11 Ausrichtung, aufgrund derer er
als der »Dichter des nationalen Optimismus«12 betrachtet wird.
Unumwunden formuliert Šenoa sein ausgesprochen pädagogisch-patriotisch
orientiertes Programm im Zentrum der Monarchie. Er appelliert an das Potenzial
des Nationalen, »in dieser Vermummung zum Herzen [zu] dringen, die Nation zu
höheren Idealen [zu] entflammen«.13 Idealiter soll das Publikum mit ihm an der
Diskussion über die patriotische Dimension der Kunst teilnehmen und sich da-
durch mit seinem nationalen Anliegen identifizieren. Zugleich wird die kulturelle
Vielfalt Wiens als eine konstitutive Basis für die Entfaltung des eigenen nationalen
Programms angesehen. Sein Ziel ist dabei ein vorläufiges – das Volk soll als ein
kollektives historisches Subjekt erst konstruiert werden. Somit wird in Šenoas pub-
lizistischen Texten aus der frühen Schaffensphase ein Moment des Übergangs fest-
gelegt: Kein klares politisches Programm wird entwickelt, sondern eine Idee der
Selbstbestimmung, die politisch und ideologisch innerhalb des imperialen Feldes
verortet wird. Dieses diskursive Moment der Suche nach Selbstbestimmung kann
als transdifferent bezeichnet werden, nicht nur infolge seiner damaligen konkreten
Position in Prag und danach in Wien, also außerhalb der eigenen Kultur, sondern
v.a. anhand der konkurrierenden Vielfalt der Identitätsangebote, die in der publi-
zistischen Tätigkeit Šenoas zwischen dem nationalen Anliegen und der imperialen
Loyalität changieren.
2. SlaviSche Blätter – (süd)slaVische solidariTäT und
naTionale Vision
Vor allem verfolgt der junge Šenoa eine föderative Idee, sie sei »der Grundidee und
Natur Oesterreichs gemäss, die einzig angemessene«.14 Als den »socialen Moment«
bezeichnet Šenoa in den Slavischen Blättern die gesellschaftsverändernde Kraft des
nationalen Gedankens, die er nicht exklusiv kroatisch definiert, sondern ihre Ent-
wicklung bei allen »Slaven Oesterreichs«15 verfolgt. Im Untertitel der Slavischen
Blätter (Illustrierte Zeitschrift für Literatur, Kunst und Wissenschaften, für öffentliches
und gesell schaftliches Leben, für Länder- und Völkerkunde, für Geschichte, Belletristik
etc. der slavischen Völker) wird das ambitionierte gesamtmonarchistische Programm
formuliert, in dem ein aufklärerisches Anliegen als Leitidee dient. Um dies zu er-
reichen, präsentiert Šenoa in einer deutschsprachigen Zeitschrift »überhaupt die
11 | Frangeš, Ivo: Šenoina baština u hrvatskom realizmu [Šenoas Erbe im kroatischen Rea-
lismus]. In: Croatica. Prinosi proučavanju hrvatske književnosti 1 (1970), S. 137-167, hier
S. 141.
12 | Ebd, S. 157.
13 | Šenoa, August: Peter von Preradović. Biografische Skizze mit Porträt [I]. In: Slavische
Blätter 9 (1865), S. 411-413, hier S. 411 (s. Teil II in: Slavische Blätter 10 [1865], S. 434-
437).
14 | -ý. [August Šenoa]: Oesterreichs Staats-Idee, S. 421.
15 | -n- [August Šenoa]: Prager Briefe. In: Slavische Blätter 2 (1865), S. 115-116, hier
S. 115.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur