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Antagonismen und (Trans-)Differenzen 285
reb«83 entdeckt, um sie in der Folge, zurück in Zagreb, durch seine literarische und
kulturelle Tätigkeit zu verwirklichen. Dabei beschränkt sich Šenoa nicht nur auf
allgemeine Betrachtungen, sondern gibt auch gezielte administrative und techni-
sche Anleitungen und verlangt von »unserem Statthaltereirathe« dezidiert »eine
radikale Reform«84 des kroatischen Theaters, die er später in seiner Amtszeit als
artistischer Direktor von 1868 bis 1870 und als Theaterdirektor in der Periode von
1871 bis 1880 weiterentwickeln und durchführen wird.
6. KulTureller Transfer und sozialpoliTische spannungen –
agonale momenTe
Da Šenoas publizistische Tätigkeit gegenwartsbezogen und betont aktuell ist, kann
die Frage nach seiner sozialpolitischen Orientierung85 gestellt werden. Er schrieb
Beiträge für die Slavischen Blätter aus Prag mit Informationen aus dem kulturellen
Leben in Rubriken wie Böhmische Literatur oder Literatur- und Kunstnotizen. Darin
wird die Idee der slavischen Solidarität betont, worauf die Prager Polizei sofort vor-
sichtig den »Aufschwung des Blattes«86 verzeichnen musste, wie Šenoas Biograf
Slavko Ježić notiert. Ježić geht von Šenoas klarem nationalem Anliegen87 aus, wie
aus seinem Nekrolog für den polnischen »Patrioten« Johann Gabriel Sćiborski her-
vorgeht. In diesem Artikel werden seine patriotischen Dichtungen beschrieben, die
»wie Sonnenstrahlen aus dem Nebelschleier« emporsteigen und »sich im Volke [ver-
breiteten], […] von Mund zu Mund [flogen] und […] überall als eine ungewöhnliche
Erscheinung begrüsst [wurden]«.88 Solche patriotischen Ideen werden in der Prager
Öffentlichkeit im Geiste der slavischen Solidarität rezipiert: einer Einstellung, die
Šenoa in Zagreb als Gymnasiast zu entwickeln beginnt. Diese von ihm öffentlich
vertretene oppositionelle nationale Haltung wird von Ivo Frangeš als Grund ange-
führt, warum Šenoa sein geplantes Studium an der k.k. Orient-Akademie in Wien
infolge eines negativen polizeilichen Dossiers nicht antreten konnte.89 In den Jahren
von 1865 bis 1866 führe dieser Umstand dazu, so Ježić, dass Šenoa als »ein rüh-
83 | Frangeš/Živančević: Povijest hrvatske književnosti, S. 229.
84 | NN [August Šenoa]: Briefe aus Croatien. Agram, 24. September. In: Slavische Blätter
12 (1865), S. 518-519, hier S. 519.
85 | In der späteren Periode wird seine Nähe zu der Partei Narodna stranka (Volkspartei)
unterstrichen, die sich für die kulturelle und politische Kooperation mit anderen südslavi-
schen Nationen eingesetzt hat.
86 | Ježić, Slavko: Život i djelo Augusta Šenoe [Leben und Werk August Šenoas]. Zagreb:
Znanje 1964, S. 79.
87 | Miroslava Tušek bringt in ihrer Sammlung die Kopie und Abschrift des Polizeiberichts
über August Šenoa vom 9.1.1866, in dem Šenoas politische Tätigkeit in Prag wie auch seine
patriotische Haltung kommentiert werden. Šenoa wird als ein »leidenschaftlicher Slave« und
»entschiedener Gegner des Germanentums« beschrieben, der Prag nicht nur aus politischen
Gründen verlassen musste, sondern auch weil er stark verschuldet war. Vgl. Šenoa: Nepoz-
nati rani radovi …, S. 129-132, hier S. 132.
88 | Gl. [August Šenoa]: Johann Gabriel Sćiborski. Nekrolog. In: Slavische Blätter 2 (1865),
S. 105.
89 | Vgl. Frangeš/Živančević: Povijest hrvatske književnosti, S. 340.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur