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Enikő
Dácz308
der von Reichtum träumt und in Vorfreude darüber gut isst und trinkt, auf seine
Henne fällt, diese dabei tötet und die Eier zerbricht.67
3. wissenschafTlicher und ÖffenTlicher disKurs
Obwohl nichtliterarische Aufsätze einen bedeutenden Anteil der Artikel ausma-
chen, werden sie in der Fachliteratur höchstens am Rande erwähnt. Diese Beiträge
decken neben Berichten aus der Literaturgeschichte, der Geschichte und den Na-
turwissenschaften auch politische beziehungsweise wirtschaftliche Themenfelder
ab und bilden, was Identitäts- und Alteritätskonstruktionen angeht, das Diskursive
der Identitätsbildungsprozesse ab.
Die Aufsätze zur ungarischen, rumänischen oder deutschen Dichtung belegen
erneut die Praxis der nationalen Kategorisierung, dienen jedoch zugleich der Kon-
textualisierung der Primärliteratur. Besonders bemerkenswert ist in dieser Hin-
sicht, dass nationalistischen ungarischen und rumänischen Tönen ebenso Platz
eingeräumt wird wie sächsischen, was sich auf den allgemein nationalistischen
Zeitgeist zurückführen lässt. Professor Ludwig Palágyi setzte z.B. im Einklang mit
den Traditionen des 19. Jahrhunderts den Geist der ungarischen Dichtung mit dem
Patriotismus gleich:
Wenn wir demnach jenen Hauptcharakterzug der ungarischen Literatur suchen, der sie von
der westlichen Literatur unterscheidet, finden wir diesen vornehmlich in dem patriotischen
Gefühl, das unsere Werke durchzieht.
Deutsche, Franzosen und Engländer schufen und schaffen wohl auch Musterwerke des Pat-
riotismus, welche ihre innersten Gefühle, tiefsten Ideen und Bestrebungen ausdrücken, aber
wir kennen keine Nation, deren herrschender Zug in der Literatur der Patriotismus wäre.68
Obwohl der rumänischen Dichtung, wie bereits festgestellt, insgesamt weniger
Aufmerksamkeit geschenkt wird, erscheint die Literatur auch in dieser Hinsicht
als Medium der Identitätskonstruktion, so liest z.B. Constantin Lacea das Nibelun-
genlied als Beleg für die rumänische Präsenz im siebenbürgischen Raum im 10.
bis 12. Jahrhundert.69 Die Ausführungen zur eigenen Literatur, die im Zeichen des
nationalen Diskurses standen, nehmen erwartungsgemäß den größten Raum ein.
In diesem Sinne wird die sächsische Vorliebe für den Roman – in Anlehnung an
von Fichte und Hegel geprägte literarische Deutungsparadigmen – auf nationale
Charakterzüge zurückgeführt:
67 | Vgl. Zwei sächsische Parabeln, S. 301.
68 | Palágyi, Ludwig: Der Geist der ungarischen Dichtung. In: Die Karpathen 4 (1907),
S. 99-102, hier S. 100. Der Verfasser war ein in Budapest lebender, mit mehreren Preisen
ausgezeichneter Dichter und Lehrer in Sárospatak.
69 | Vgl. Lacea, C.: Das Nibelungenlied und die Rumänen. In: Die Karpathen 16 (1908),
S. 505-506. Die zweimalige Erwähnung der Rumänen im Nibelungenlied sei der Beweis, dass
die Rumänen schon »im X. oder spätestens im XII. Jahrhundert als ein angesehenes, gut or-
ganisiertes Volk den Deutschen bekannt waren«. Ebd., S. 506.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur