Seite - 310 - in Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Bild der Seite - 310 -
Text der Seite - 310 -
Enikő
Dácz310
Șercaia/Sárkány nach Neumarkt/Marosvásárhely/Târgu Mureș, um die ungarische
Sprache zu erlernen – blenden die Praxis des interethnischen Alltags ein.75
Das Aufweisen der Differenzen zu den anderen dient der Bekräftigung des
eigenen Selbstbildes, so auch in der Beschreibung der Siebendörfer bei Kronstadt.
Im Ordnungssinn der Tschangos wird der sächsische Einfluss identifiziert, der
zum Entstehen weiterer Divergenzen zu den Szeklern führe:
Ein wunderliches Verhältnis herrscht zwischen Szeklern und Csángós. Fremd stehen sie sich
gegenüber, wie wenn sie nicht Angehörige eines und desselben Volkes wären, innerlich und
äußerlich fremd. […] Die gemeinsame Sprache – und auch die dialektisch abweichend[e] –
und die Volkszugehörigkeit bilden das einzige Band zwischen den beiden Bruderstämmen;
diese einigenden Momente machen sich aber nur in nationalpolitischen Fragen geltend. Im
Übrigen ist der Csángó mißtrauisch gegenüber dem Szekler, wenn dieser in Gemeindeange-
legenheiten mitsprechen will, und der herrische Szekler tut nichts dazu, um das Mißtrauen zu
brechen. Der auf eigenem Grund und Boden sitzende Csángó mißachtet den Szekler Taglöh-
ner und fürchtet den Szekler in amtlicher Stellung. In des Szeklers Augen aber ist der Csángó
minderwertig, er kann sich nicht dazu aufraffen, die guten Seiten des Csángós zu würdigen.
Und doch könnten beide manches von einander lernen: Der Szekler vom Csángó den ausdau-
ernden Fleiß, die große Anspruchslosigkeit und Sparsamkeit; der Csángó vom Szekler Rein-
lichkeit des innern und äußern Menschen, Gradheit und Biederkeit, offene Hand, wo es not-
tut. Sympathischer ist der Szekler; im Kampf ums Dasein wird der harte Csángó gewinnen.76
Positive und negative Fremdstereotype liegen hier erneut nahe beieinander.
In Analogie zu den Ungarn wird auch die Herkunft der Rumänen thematisiert,
die Emil Fischer in der Formel »Thrakoromanen + Slaven = Vlachen«77 synthetisiert.
Den Rumänen gilt ein betont ethnologisches Interesse, das meistens auch beim
Stereotypischen verbleibt, sodass der Rumäne als traditionsbewusst beziehungs-
weise sehr gläubig,78 arm und roh geschildert wird.79
Das Bild der Zigeuner ist in ähnlichen Aufsätzen, wenn überhaupt, nur am
Rande präsent und schematisch. Im Unterschied zu Alschers thematischem Ro-
man, der auf die soziale Kontextualisierung der Problematik detailliert eingeht,
bezeichnen solche Beiträge den Zigeuner stellenweise als »Schädling«: »Dazu, daß
manche sächsische Wirtschaft zugrunde gegangen ist, haben die Zigeuner viel
mitgeholfen.«80
75 | Vgl. Teutsch, Michael: Wie die Schirkanyer sächsischen Burschen nach Marosvásárhely
ziehen, um die ungarische Sprache zu erlernen. In: Die Karpathen 9 (1910), S. 278-281.
76 | Jekelius, August: Die Siebendörfer bei Kronstadt. In: Die Karpathen 4 (1907), S. 114-
120, hier S. 118f.
77 | Fischer, Emil: Die Herkunft der Rumänen. In: Die Karpathen 1 (1909), S. 19-23, hier
S. 20.
78 | Vgl. Schmidt, Fritz: Sitten und Bräuche des rumänischen Volkes bei Hochzeits- und To-
tenfeiern. In: Die Karpathen 2 (1911), S. 46-51, Fortsetzungen in den Nummern 3, 4, 5.
79 | Vgl. Ziegler, Regine: Die Austage im Sachsendorf: Tradition der Nachbarschaften. In:
Die Karpathen 10 (1910), S. 301-305, hier S. 303.
80 | Achim, L. E.: Volkswirtschaftliche Streiflichter IV: Landwirtschaftlicher Arbeiterstand.
In: Die Karpathen 14 (1909), S. 420-427, hier S. 423.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur