Seite - 313 - in Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Bild der Seite - 313 -
Text der Seite - 313 -
Versuche der Horizonterweiterung 313
Vorankommen unmöglich sei.96 Der kritische Ton verschärft sich am meisten in
einer Antwort auf einen offenen Brief:
In einem Punkte stimme ich Ihnen bei: daß Streberei und Servilismus bei uns oft ganz be-
denkliche Erscheinungen zeitigt und ich versichere Sie, daß mich jedesmal eine Wut packt,
wenn ich in einer Rede, einem Artikel, einem Gedicht oder einer Erzählung eines besonders
sächsischen Sachsen wieder auf das Märchen der »sächsischen Idylle« stoße, die Unein-
geweihten vortäuschen will, wie lieb und friedlich, fromm und arbeitsfreudig wir hier zu-
sammenleben, ein von der Kultur (wenigstens von ihren Lastern) noch nicht allzu belecktes,
einfaches, offenes, grades, strammes, treuherziges Geschlecht. Während alle von uns, die
»mitten drin« sind, die Gelegenheit haben, den feinen Fäden zu folgen, die oft diplomatisch
so fein gesponnen werden, um einen Beschluß durchzudrücken, ein Verdienstchen aufzubla-
sen, eine Wahl durchzusetzen, einem Gegner eins herunterzuwischen […].97
4. frauenbilder
Trotz der Entwicklung der Frauenbewegungen in der Moderne und des Selbstver-
ständnisses der Zeitschrift als zentralen Modernisierungsfaktors im sächsischen
kulturellen Leben kommt Autorinnen in der Zeitschrift bloß eine marginale Rolle
zu, sodass sie auch als Akteurinnen im Prozess der Identitätskonstruktion und
-aushandlung am Rande stehen. Literatinnen sind hauptsächlich durch Schaffende
wie Regine Ziegler oder Else Alscher vertreten. Ziegler publizierte hin und wieder
Erzählungen, während Alscher regelmäßig Gedichte veröffentlichte. Von der Bin-
nenmigrantin Ella Triebnigg, in Ofen/Buda geboren und in Wien lebend, erschie-
nen Übersetzungen aus dem Ungarischen sowie eigene kleine Schriften.98
Die Rolle der Frauen in der fortschrittlichen Gesellschaft wird in Artikeln re-
flektiert, die u.a. aus Deutschland zugeschickt wurden.99 Außerdem berichten u.a.
Therese Jikeli, Marie Klein, Grete Teutsch und Regine Ziegler über die Tätigkeit
der lokalen Frauenvereine sowie den Kampf um das Frauenstimmrecht.100 Zudem
entfaltet »der unverbesserliche Nörgler« seine Ansichten bezüglich der Rolle der
Frauen im Haushalt in gewohnt ironisch-kritischem Ton, der den veralteten Tradi-
tionen gilt.101
96 | Vgl. NN: Pessimismen. In: Die Karpathen 10 (1911), S. 56-59. »Du mußt dich verwandt
machen, wenn du als Sachse vorwärts kommen willst.« Ebd., S. 56.
97 | NN: Ein offener Brief und eine offene Antwort. In: Die Karpathen 5 (1909), S. 138-142,
hier S. 142.
98 | Zu ihrer Person vgl. Kremling, Bruno: Schwäbisches Schrifttum in Ungarn. In: Die Kar-
pathen 2 (1911), S. 364-367, hier S. 367.
99 | Vgl. z.B. Stritt, Marie: Frauenbewegung und Kulturfortschritt. In: Die Karpathen 8
(1908), S. 240-244.
100 | Vgl. z.B. NN: Die ev. Frauenvereine Kronstadts. In: Die Karpathen 7 (1908), S. 222;
Klein, Marie: Siebenbürgisch-sächsische Charakterköpfe II: Therese Jikeli. In: Die Karpathen
15 (1908), S. 457-460; Teutsch, Grete: Frauenbewegung und Frauenstimmrecht. In: Die Kar-
pathen 10 (1913), S. 299-306.
101 | Vgl. NN [Adolf Meschendörfer]: Ansichten und Meinungen eines unverbesserlichen
Nörglers. In: Die Karpathen 8 (1908), S. 249-252.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur