Seite - 325 - in Transdifferenz und Transkulturalität - Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
Bild der Seite - 325 -
Text der Seite - 325 -
Zwischen Kulturen und Identitäten 325
Da trotz oder eher aufgrund unterschiedlichen Sprachgebrauchs und ausdifferen-
zierter Erfahrungswirklichkeit die Individuen einen hohen Anteil an der Heraus-
bildung individueller und kollektiver Identitäten innehatten, begünstigte die für
die Region übliche Zwei- oder Mehrsprachigkeit eine Zugehörigkeit zu mehreren
Kommunikationsräumen.6 Die Presse als spezifische Form kultureller Repräsen-
tation beinhaltet daher vielfältige Elemente, die auf überlappende Kommunika-
tionsräume verweisen, welche die bukowinische Publizistik als Mikrokosmos im
Mikrokosmos erscheinen lassen. Ein Fokus auf das Zwischenfeld7 der historischen
Region Bukowina mit der publizistischen Repräsentation ihres pluriethnischen,
plurikonfessionellen und plurikulturellen Charakters mag daher auf die mittelba-
ren und unmittelbaren Spuren der Loyalitäten in der Pluralität und den so entstan-
denen Identitätskonstruktionen der Majoritäts- und Minoritätengruppierungen in
diesem Raum hindeuten. Zusätzlich zu diesen nebeneinander existierenden, teils
kompatiblen, teils kontrastierenden Orientierungsmustern zwischen Region und
Nation, Nationalismus und Imperialismus, Tradition und Emanzipation spielten
auch Fragen der genderspezifischen Differenzen eine bedeutende Rolle.
Das Anliegen des vorliegenden Beitrages ist es, Zeitungsveröffentlichungen aus
der Feder schreibender Frauen in dem Blatt Bukowinaer Post zu analysieren und an-
hand ausgewählter Beispiele in späteren deutschsprachigen Periodika in Bezug auf
das Spannungsverhältnis von traditionellem Frauenbild und Frauenemanzipation
zu untersuchen. Dabei sollen das Bild der Frau sowie Weiblichkeitsentwürfe in den
bukowiner Zeitungen untersucht und problematisiert werden. Das plurale, vielfäl-
tige Bild der Region, gekoppelt mit der für die Moderne spezifischen individuellen
Fragmentiertheit, wirkte sich sowohl auf die Denkweisen und Verhaltensmuster
als auch auf das Schreiben der Frauen und Männer aus sowie auf ihren Alltag, der
wie bereits angesprochen von mehrfachkodierten Loyalitätskonflikten dominiert
wurde. Davon ausgehend werden die literarischen Darstellungen zugleich auf ihre
identitätsstiftende Funktion geprüft beziehungsweise ergründet, inwiefern Identi-
tätsräume der schreibenden Frauen im Spannungsfeld zwischen konventionellen
und unkonventionellen Rollenbildern entstehen. Dabei wird versucht, die Erkennt-
nisse in einem kulturellen Kontext zu verorten, in dem schreibende Frauen neue
Formen des Lebens und des Schaffens für sich eroberten.
1. fallbeispiel BuKowinaer poSt
Die Bukowinaer Post, ein Periodikum, das zwischen 1893 und 1914 erschien, brach-
te regelmäßig Berichte und Kommentare zu dem soziokulturellen Kontext der Bu-
kowina und der Welt, zur deutschsprachigen Literatur und zur Weltliteratur, wobei
seine thematischen Schwerpunkte je nach Vorlieben und den jeweiligen Positio-
nierungen variierten und von der sozialen Frage über das ethnisch-sprachliche Ge-
dankengut bis hin zur Frauenemanzipation reichten. Denn nicht nur reflektierte
das Blatt die sozialpolitischen Spannungen und Wandlungen seiner Zeit, es legte
selbst Zeugnis für die Mehrdeutigkeiten und Widersprüchlichkeiten eines komple-
6 | Vgl. Csáky: Pluralität, S. 9-30.
7 | Vgl. Konstantinović, Zoran: Das europäische Zwischenfeld. Von einer Schwerpunktbil-
dung der österreichischen Komparatistik. In: Sprachkunst 10 (1979), S. 69-78.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur