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Cristina
Spinei334
Gegenwart zu stellen,29 bringt Bertha von Suttner in ihren beiden humorvollen
Textbeispielen treffend zum Ausdruck. Das eifrige Bemühen der Bukowinaer Post
um das angekündigte Konzept eines breiten Literaturspektrums mit didaktischer
Zielsetzung für ganze soziale Schichten manifestiert sich auch in der Weise, wie
die ausgewählten Beiträge die weibliche Identität zu stärken bemüht sind. Damit
konnte das Blatt seiner Aufgabe nachkommen und als ein Medium dienen, in dem
aufklärerische Bestrebungen zum Ausdruck gebracht werden, ohne dabei die kon-
krete raumzeitliche Verortung mit den Sorgen und den Mühen des Alltags hintan-
zustellen.
2. der ›grosse Krieg‹: übergang, wende und die folgen
Es stellt sich natürlich die Frage, inwiefern die Stellung, die der Frau in der Gesell-
schaft zugedacht wurde, mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und dem daraus
resultierenden Einstellen der Bukowinaer Post wie auch vieler anderer bukowiner
Blätter eine Umwertung erfuhr. Die einst blühende Presselandschaft schrumpfte
in der Kriegszeit, mit Ausnahme der Czernowitzer Allgemeinen Zeitung (die sich
mit dem Czernowitzer Tagblatt zur Gemeinsamen Kriegsausgabe zusammenschloss),
auf einige Periodika, Amts- und Verordnungsblätter zusammen. Trotz unruhiger
Nachkriegsjahre sollte dieser schmerzhafte Einschnitt für einige Presseorgane
(Vorwärts) einen Neuanfang oder für andere (Czernowitzer Morgenblatt oder Ost-
jüdische Zeitung) eine Neugründung als Reaktion auf die veränderten politischen
Umstände bedeuten, denn auch in dieser derart veränderten Lage nach dem Ersten
Weltkrieg erschienen etwa 150 deutschsprachige Blätter. Selbst wenn man zu be-
denken gibt, dass der Weltkrieg immense menschliche Verluste und grauenhafte
Verwüstungen angerichtet hat, kann nicht bestritten werden, dass es in den nach-
folgenden turbulenten Zeiten in vielen Bereichen, auch was die Stellung der Frau
betrifft, zu gewaltigen Veränderungen kam. Solche Wenden, wie sie Kriegsgräuel
dieser Art mit sich bringen, werden oft als Katalysator für die Frauenemanzipation
bezeichnet.30
Jedenfalls beweist ein Blick in die Tageszeitungen nach 1918, dass ab diesem
Zeitpunkt die Anzahl schreibender Frauen merklich anstieg. Mit der allgemeinen
Einführung des Frauenwahlrechts 1918 in Österreich und Deutschland lässt sich
eine unterschiedliche und schwankende Positionierung einzelner schreibenden
Frauen gegenüber den in ihren Beiträgen aufgegriffenen Themen- und Ideenkom-
plexen feststellen. Neigen bis 1914 die Frauen zu einer gewissen Idealisierung tra-
ditioneller Rollen und gesellschaftlicher Erwartungen, so wird ab 1918 diesbezüg-
lich ein kritischer Standpunkt eingenommen. Dank der aktiveren Teilnahme der
Frau am Arbeitsmarkt änderte sich die Perspektive auf die soziale Stellung der Frau
beziehungsweise auf ihre Positionierung gegenüber der Männerwelt beträchtlich.
29 | Vgl. Suttner, Bertha von: Zum vierten Male. Novelle [IV]. In: Bukowinaer Post v. 5.7.1894,
S. 1-2, hier S. 1: »Mein lieber Georg, Du stehst auf dem Punkte, Dich zu verheiraten, lasse
Dir sagen, daß es Ehen gibt, die – hier scheint mir der gebräuchliche Ausdruck nicht zu stark
– eine Hölle sind.«
30 | Vgl. z.B. Sichtermann, Barbara: Kurze Geschichte der Frauenemanzipation. Berlin: Ja-
coby & Stuart 2009, S. 109-125.
Transdifferenz und Transkulturalität
Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Titel
- Transdifferenz und Transkulturalität
- Untertitel
- Migration und Alterität in den Literaturen und Kulturen Österreich-Ungarns
- Autoren
- Alexandra Millner
- Katalin Teller
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3248-8
- Abmessungen
- 15.4 x 23.9 cm
- Seiten
- 454
- Schlagwörter
- transdifference, transculturality, alterity, migration, literary and cultural studies, Austria-Hungary, Transdifferenz, Transkulturalität, Alterität, Migration, Literatur- und Kulturwissenschaften, Österreich-Ungarn
- Kategorie
- Kunst und Kultur