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© 2021 V&R unipress, Brill Deutschland GmbH
ISBN Print: 9783847113232 – ISBN E-Lib: 9783737013239
diovisuellePublikumsmedienundOnlineundSocialMedia,nichtaufeinemehr
oderminderanalogeBuchmediennutzung.45
Die literaturbezogene Kommunikation in Lesekreisen lässt sich in groben
Zügenmittels eines kaskadischenRezeptionsmodells fassen,46dasmehrere, je-
weils zwischen Individuum und Gruppe rückgekoppelte Interpretations- und
ReinterpretationsakteumfasstundkontextuelleBedingungenundeingebrachte
Informationen berücksichtigt, somit auch die Rezeption vor und nach einer
RezeptionimengerenSinne(Leseakt).RezeptionimweiterenSinnesetztbereits
mit der Medienzuwendung ein, weshalb man hier auch von Mediennutzung
spricht. DerNutzenansatz vonRencksdorf undWester bietet nicht nur für die
Rezeption bzw. Nutzung audiovisueller oder digitaler Medienangebote einen
hilfreichenErklärungsrahmen,47 sondern ebenauch fürdas analoge Schriftme-
diumBuch. Rencksdorf operiert mit demBegriff Medienzuwendung, der Re-
zeption in einenumfassenderen, sozialenRahmen stellt.DerBuchauswahlpro-
zesskannindiesemSinnealsaktives,sinnorientiertesHandelnbegriffenwerden.
DaszugrundegelegteReferenzmodell48setztmitderMedienzuwendungeinund
betrachtet Person, Situation, Umfeld gleichermaßen vor demHintergrund ge-
sellschaftlicher und individueller Einflussfaktoren.49Die ritualisierte Medien-
nutzung, wie wir sie aus Fernsehen und Social Media kennen, spielt für das
Bücherlesen eine untergeordneteRolle – imGegensatz zur elaboriertenHand-
lungsvorbereitung, inder jedesMedienhandelnevaluiertwirdunddasErgebnis
in den persönlichenWissensspeicher,manchmal auch in den des gesellschaft-
lichenWissens übergeht bzw.mit diesemabgeglichenwird. Zu beobachten ist
dies beispielsweise amUmgang der Lesekreisemit Genres im Entscheidungs-
prozess.
Literarische Genres sind geteilte Schemata. Schematisierung spielt in Ent-
scheidungsprozessen auf Basis geringer Information eine nicht zu unterschät-
zendeRolle, stehenSchematadochfürdasBekannte,dasEinschätzbare, fürdas
Versprechen,dassdieUnsicherheit, dasUnbekannte, die Irritation, diemitder
Lektüre literarischer Texte einhergehen, im Rahmen und damit handhabbar
bleiben.Das Zusammenspiel vonNobelpreis undKrimi folgt einer Top-down-
VerarbeitungdurchdenRückgriff auf Schemata,„eine[r]kognitive[n]Struktur,
auf derHeuristiken als Prozess(programm)aufbauen“.50Entscheidungstheore-
tisch betrachtet, verfahren sowohlG1 als auchG2nachder „Recognition-Heu-
45 Vgl. dazu grundsätzlich Schweiger 2007, auf dessen Überblicksdarstellung ich mich in
weitererFolgebeziehe.
46 Vgl.Krotz2001, S. 92.
47 Vgl. dazuSchweiger2007,S. 316ff.
48 Vgl.Rencksdorf&Wester2004, S. 57.
49 Schweiger2007, S. 317.
50 Ebd., S. 175.
DorisMoser60
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Über Bücher reden
Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Titel
- Über Bücher reden
- Untertitel
- Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Autor
- Doris Moser
- Herausgeber
- Claudia Dürr
- Verlag
- V&R unipress
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1323-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 262
- Kategorie
- Lehrbücher