Seite - 89 - in Über Bücher reden - Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
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© 2021 V&R unipress, Brill Deutschland GmbH
ISBN Print: 9783847113232 – ISBN E-Lib: 9783737013239
Teilnahme amGruppengeschehen spielt der Begriff eine wichtige Rolle, aller-
dingsnichtdieeinzigeundzudemeinekonfliktreiche.IneinemTreffenzuHerta
MüllersAtemschaukelentwickelt sichdieDebatteüberdenspezifischenStilder
Autorin wie folgt. B1: „Esmacht fürmich den Schrecken dieses Lagers nicht
erträglicher.Ganz imGegenteil.“–B4:„IchhabezumTeilRICHTIGVergnügen
gehabt, das zu lesen.“ (G3/D2, Z. 1756f.) EinmühevollesunderdrückendesLe-
seerlebnis wird einem leichtgängigen und aufbauenden gegenübergestellt. In
einer anderen Diskussion in dieser Gruppe wird darüber debattiert, ob eine
historische Anspielung sinnvoll sei und damit auch einen Erkenntnisgewinn
bringenkönne.B4winkt ab, setzt einenUnterschied zwischenWissensgenerie-
rung und Spaß amLesenund fragt nach: „Fürmich halt […]WIRKLICHun-
interessant.WardaseinVERGNÜGENmanchmal,daszulesen?“(G3/D4,Z.441)
ImUmkehrschlussmuss einBuchnicht unbedingtmit Freude gelesenwerden
oderGefallen finden, solange es als lehrreichoder interessantwahrgenommen
werdenkann.B5:„AlsoeinGenuss istdasnicht. Insofernmöchte ichwenigstens
waslernen.“(G3/D3,Z.699)3OderB1:„WeildumusstdasBuchmögen,einfach“
–B3:„Na,dasnichtunbedingt,aberesmussinteressantsein.“(G2/D2,Z.1346f.)
Vergnügenscheint inersterLinieaneineAktion,aneinspezifischesTunoder
Handeln und an eine ungebrochene mentale und emotionale Fokussierung
darauf gebundenzu sein.Dasdamit verbundene „Flow“-Erlebnis bzw. „Aufge-
henimTun“4 tritt inzahlreichenpositiv (odernegativ)gefärbtenBerichtenüber
LektüreerlebnisseoderLeseprozesse zuTage, die aneiner anderenStelledieses
Beitrags (sieheKapitel 2) noch ausführlicher analysiertwerden.Kommt inden
LesegruppendiskussionenVergnügen als Thema –meistens implizit oder um-
schrieben–zurSprache,verknüpftsichdieshäufigmitBefundenzuspezifischen
Handlungselementen,Erzählformenund-perspektiven,dieinihrerWirkungauf
dieLektüre auffällig gewordensind.
IstimTiteldiesesBeitragsvonVergnügenalsThemadieRede,sobedeutetdas
alsonicht,dass inLesegruppendiskussionenVergnügeninersterLinieals Inhalt
desdebattiertenBuchsverhandeltwird.Daskannvorkommen, stellt abernicht
die Regel dar und ist letztlich auch von der spezifischen Ausrichtung der ge-
wähltenTexteabhängig.ZudemistVergnügennichtgleichVergnügenundkann
inunterschiedlichenAkzentsetzungen zurSprachekommenoder in synonyme
undbenachbarteBegriffewie „Freude“,„Heiterkeit“oder„Glück“,„Zufrieden-
heit“übergreifen. IndiesemZusammenhang spielt dasGruppenprofil einedif-
ferenzierendeRolle.SohateineGruppe(G2)fürVergnügenals ‚essichgutgehen
lassen‘oder ‚sich treiben lassen‘ inTextundLebennur sehrwenigVerständnis
3 ZumThemaWissensieheauchDürr, „Lesekreise“, indiesemBand, S. 82f.
4 Vgl. dazu insbesondere die Studien des PsychologenMihaly Csikszentmihalyi. Csikszent-
mihalyi1985.
„Ich lachenichtüberdich, aberesklingt so lustig.“ 89
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Über Bücher reden
Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Titel
- Über Bücher reden
- Untertitel
- Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Autor
- Doris Moser
- Herausgeber
- Claudia Dürr
- Verlag
- V&R unipress
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1323-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 262
- Kategorie
- Lehrbücher