Seite - 149 - in Über Bücher reden - Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
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© 2021 V&R unipress, Brill Deutschland GmbH
ISBN Print: 9783847113232 – ISBN E-Lib: 9783737013239
interpretatorischeRätselaufgibt,dieeineDiskussionbefeuernkönnen.Inseiner
SendungDruckfrischbringtesDenisScheckwie folgtaufdenPunkt:„DerClou:
DerRomanlässtdieFrage,obStonersLebennungelungenodergescheitertist, in
reizvoll ambivalenter Schwebe. Ein kleinesMeisterwerk.“10Angela Schader be-
schreibt Stoner als eineArt „Kippfigur“, die imGegensatz zu „der imRoman
dochrechtklarenZuteilungderpositivenundnegativenRollen“nichteindeutig
bewertbarsei.11Dies„allerdingsmindert […]den literarischenWertdesBuches
nicht– imGegenteil: InsolcherAmbivalenzwahrgenommen,wirdStonersGeist
[…]zumindestinderErinnerungdesLeserssoraschnichtzurRuhekommen.“12
DieAmbivalenzdesTexteswirdbeiweitemnicht inallen,ausnahmslospositiven
RezensionenalsMerkmal genannt, jedoch sprichtdieBreiteundHeterogenität
derWahrnehmungen für die demWerk inhärente Offenheit. So beschreiben
Kritikerinnen und Kritiker Stoner unterschiedlich als „weltfremd-schrulli-
g[en]“,13 „durchschnittlichen“,14 „glücklichen“,15 „pflichtbewussten“16 und un-
angepasstenMenschen („einer, derdasGesetzdes ‚Immerweiter so‘bricht“17).
Auch inderLesegruppe istdieBandbreitederEindrücke,diedieHauptfigur
desRomanshinterlässt, groß, führt aber nicht unbedingt,wie inder Literatur-
kritik hervorgehoben wird, zu (zumindest nur positiven) Immersions- und
Identifikationserlebnissen. Ganz imGegenteil, vor allemdasmännlicheGrup-
penmitgliedwehrt sichmitNachdruckgegendasBild, dasderProtagonist dar-
stellt und kann nicht verstehen, dass sich dieser sozial und strategisch unbe-
holfenundunaggressiv verhält: „Eswarenalle anderen–unterAnführungszei-
chenjetzt–schlaueralser,undhabenihnirgendwolinksüberholt“(G1/D4/Bm1,
Z.362)–„DemhätteicheinmaldasHax’lgestellt“(Bm1,Z.625).Inpuzzleartiger
Kleinarbeit nähert sichdieGruppedemRätsel derHauptfigur,wobei v. a. zwei
weiblicheGruppenmitgliederalsempathischeVerteidigerinnenauftreten:Stoner
wärezwar„keinlebensklugerMenschgewesen[…],nichtraffiniert(G1/D4/Bw7,
Z. 363–368), dafür intellektuell klug (vgl.G1/D4/Bw7,Z. 363–367),wäre „seiner
Art sehr treugeblieben“ (G1/D4/Bw7,Z. 254), hatte „authentisch“ (G1/D4/Bw1,
Z. 428) „vollkommen in sich selbst geruht“ (G1/D4/Bw1, Z. 483), „ehrlich“und
„geradlinig“ „nicht nachgegeben“ (v. a. in der Prüfungsszene und für die Lite-
ratur, vgl. G1/D4/Bw7, Z. 243ff., 521, 876–896),wäre letztlich „ein stillerHeld“
(G1/D4/Bw1, Z. 1676). Erfreut wird das bedauerlicherweise nur kurzfristige
10 Scheck2014.
11 Schader2013.
12 Ebd.
13 Steindorfer2013.
14 Leitner2013.
15 Nüchtern2014.
16 Greiner2013.
17 Zähringer2013.
LiterarischeWertungen imVergleich 149
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Über Bücher reden
Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Titel
- Über Bücher reden
- Untertitel
- Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Autor
- Doris Moser
- Herausgeber
- Claudia Dürr
- Verlag
- V&R unipress
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1323-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 262
- Kategorie
- Lehrbücher