Seite - 152 - in Über Bücher reden - Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
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© 2021 V&R unipress, Brill Deutschland GmbH
ISBN Print: 9783847113232 – ISBN E-Lib: 9783737013239
dass sie das Buchmit „unheimlich kurios“ amüsierter Neugierde (G2/D4/B3,
Z. 289; B3, B4, B5, Z. 299–322)undRatlosigkeit (vgl.G2/D4/B1, Z. 112) gelesen
haben. Die fiktionale Fantasiewelt wird teilweise ernst genommen (etwa, dass
Menschenbereits in jungen JahrenSärge zugeteilt bekämen, vgl.G2/D4/B3,B1,
Z. 289–292) undmetaphorisch-lebensphilosophisch interpretiert (eine Art Le-
bensbuch inkleiner Schriftmit Einträgen füllenmüssenunddamit „etwasBe-
sonderessein“und„nichtzumSchwätzer“werden,vgl.G2/D4/B3,Z.1032–1057).
InHinblick auf die Schilderungdes Lebenswegs desVaterswird zwar erkannt,
dassderSohnbiographischeWissenslückenauf„BLÜHEND“(G2/D4/B1,Z.750)
erfinderischeWeise gefüllt hat,man sieht aber wenig Sinn in einer derartigen
Vorgangsweise,dieauchzudistanziertwirkt:„DerschreibtüberseinenVater,als
obdasirgendeinandererwäre.MaltdabunteBildervoneinemMann,denergar
nichtkennt.“ (G2/D4/B1,Z. 471ff.)Unverständlich ist v. a.derGruppenleiterin,
warumdas imRoman gezeichnete Bild vonVäterlichkeit den Sohn nicht her-
ausgefordert hat: „Weil ich denke,mit so einemVatermussman dochKrach
kriegenirgendwann.“(G2/D4/B1,Z.517)InderGruppegibteseineTeilnehmerin
(wohlbezeichnenderweisejemandauseineranderenBranche,eineTechnikerin),
die einenmehr an Struktur und Aufbau des Textes orientierten Interpretati-
onsansatzverfolgtunddamitammeistendazubeiträgt,dassdieDiskussionnicht
allzu einseitig und einhellig verläuft. Sehr zumVergnügen der anderen in der
Runde, diedamit belegen, dass siedieseGegenstimmeakzeptieren, hält sieder
Gruppenleiterin humorvoll, aber auch kritisch undmetareflexiv entgegen: „Ja,
aber, es geht umdenVATER, undnichtumdieBeziehungdes Sohnes zudem
Vater.“(G2/D4/B3,Z.729ff.)–„Vielleichtforderstdueinfachnurzuvielvondem
Vater.[…]duwärstnichtglücklichmitihmgewesen(lacht),glaubeich“(G2/D4/
B3,Z. 994).DieSprecherinnimmtwahr,dasshier jemandeinenLebensstil und
ein literarisch-ästhetischesKonzeptnichtobjektivbeurteilenkannbzw.dass es
nicht nur an einer Figur oder dem Buch selbst liegen muss, wenn es nicht
überzeugt.
ZudemRomanvonUrsWidmererscheinenvonDezember2003bisJuni2004
insgesamt25Buchbesprechungen; darunter einWiederabdruck.21 Im Juni 2008
folgt noch eine kurzeKritik zurHörbuchfassung imKontext einer Sammelbe-
sprechung.22Es verwundert nicht, dassKritikerinnenundKritikermit den fik-
tivenundästhetisch autonomenAnteilendesRomans besser zurechtkommen.
Pointiert formuliert haben sie genau das ambesten oder idealerweise gelernt.
DabeiwirdmitunteraucheinewarnendeHaltungeingenommen,einemögliche
Fehlinterpretation als Kontrast zur eigenen elaborierten Zugangsweisemitge-
dacht: „AberVorsicht: Falle!Wie schon bei der fiktivenAnnäherung an seine
21 Magenau2004.
22 Zintzen2008. RenateGiacomuzzi /GerdaE.Moser
/VeronikaSchuchter152
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Über Bücher reden
Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Titel
- Über Bücher reden
- Untertitel
- Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Autor
- Doris Moser
- Herausgeber
- Claudia Dürr
- Verlag
- V&R unipress
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1323-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 262
- Kategorie
- Lehrbücher