Seite - 157 - in Über Bücher reden - Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
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© 2021 V&R unipress, Brill Deutschland GmbH
ISBN Print: 9783847113232 – ISBN E-Lib: 9783737013239
InterviewmitderAutorinwerdendaherwiePassagenaus einemRatgeberbuch
rezipiert, indemman inspirierendeMerk-undLeitsätzeunterstreicht. Interes-
siert wahrgenommen wird (als Gegenpol zur traurigen Grundstimmung des
Buches,diequälendwirkt,vgl.G2/D3/B7,Z.73)eineAussagederAutorin,diezu
ermuntern scheint, „die Vergangenheit ruhen zu lassen“ (G2/D3/B7, Z. 129):
„Heute sindwir, werwir sind. Undwir fragen nicht danach, wir suchen nicht
nach Gründen“ (B7, ebd.). Auch eine weitere, ähnlich auslegbare Szene im
RomansagtderSprecherinsehrzu,ein„gewaltigesBild“,als„dieMuttervonder
Ich-Erzählerin“aufhört,„dasMoosvomGrabsteinihresMannesmitdemKamm
herunterzukratzen“(G2/D3/B7,Z.143–146).DieseInterpretationwirdallerdings
nichtvonalleninderGruppegeteilt.AusderSichtderGruppenleiterinbietetdas
BuchPassagen an, die dafür sprechen, dass auchaufgearbeitet und speziell die
HerkunfteinesKindesnichtwieeinGeheimnisgehütetwerdensoll:„geradedie
Aja[eineFigur,dienichtvonihrerleiblichenMutteraufgezogenwurde;Anm.der
Beitr.] hatdas ja gesagt, dasSCHLIMMSTE ist,wennmanumseinenUrsprung
betrogen wird“ (G2/D3/B1, Z. 171). Entlang des Romans und darüber hinaus
werden existentielle Grundfragen angesprochen: Kinderfreundschaften, die
nicht zu sehr fixiert sein sollten, da ihreBrüchigkeit enttäuschend sein könnte
(vgl. G2/D3, Z. 419–480), der Plan, das Elternhaus aufzuräumen, solange die
demenzkrankeMutter ihrEinverständnisdazugebenkann(vgl.G2/D3,Z. 621–
663),dasHeilsameundUnheilvollevonOffenheitundLüge(vgl.G2/D3,Z.856–
1111),KennzeichendesErwachsenenlebensundderdamit verbundeneAuftrag
(G2/D3, Z. 738–800), die „volle Verantwortung [zu] übernehmen“ (B4), „die
Wahrheit an[zu] schauen“ (B1), „eigene Entscheidungen [zu] treffen“ (B7),
„selbst [zu]entscheiden,wiedureagierst“ (B8),die„Einsamkeitaus[zu]halten“
(B1)und „auf[zu]wachenausdemTraum“ (B3).
EinLesegruppenmitgliedbringteinstrukturellesMomentinsSpiel, indemsie
auf ein spezifischesMuster imRomanverweist (G2/D3/B3, Z. 1180). „Ich habe
dann immerwieder gesehen, […]dasBuchhat eineganzeMengeDreiecksver-
hältnisse“ (G2/D3/B3, Z. 1139). In fast allen Besprechungen wird auf diesen
Aspekt hingewiesen, amdeutlichsten in derNZZ, da heißt schonder Titel der
Besprechung: „DieMelancholie desDreiecks“und imText ist auch von „Drei-
eckskonstellation“die Rede.44Auch in der Furche, FAZ, FAS,Presseusw.wird
überdieDreiecksbeziehunggesprochen.DerHinweishat–bezeichnendfürdas
ProfilvonLesegruppe2–einelängerandauerndeGesprächspassagezurFolge, in
der problematische und über den Text hinausgehende psycho-soziale Aspekte
vonDreiecksbeziehungendebattiertwerden.
44 Bucheli2011.
LiterarischeWertungen imVergleich 157
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Über Bücher reden
Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Titel
- Über Bücher reden
- Untertitel
- Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Autor
- Doris Moser
- Herausgeber
- Claudia Dürr
- Verlag
- V&R unipress
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1323-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 262
- Kategorie
- Lehrbücher