Seite - 180 - in Über Bücher reden - Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
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© 2021 V&R unipress, Brill Deutschland GmbH
ISBN Print: 9783847113232 – ISBN E-Lib: 9783737013239
schaftlicheHingabezumBuch!“10DassessichhierumeineProfessionalisierung
im Sinne eines geschmeidigen Zielgruppendesigns handelt und nicht um eine
Weiterentwicklung oder Öffnung des literaturkritischen Diskurses, lässt der
Appell beiseite.
Tatsächlich werden in dieser Debatte nahezu alle literaturkritischen Topoi
verhandelt, die etwa für die Auseinandersetzung zwischen sogenannter ernst-
hafterLiteraturundUnterhaltungsliteratur auch schon in reinanalogenZeiten
von Bedeutung waren.Während Stil und Sprache für die Blogger keine Rolle
spielen, stören sich die professionellen Literaturkritiker an der nahezu voll-
ständigenKonzentration auf handlungsimmanenteMerkmale in den Blogbei-
trägen.
Professionalisierung aber wird nun zuerstmit der Frage verknüpft, ob das
SchreibenüberBüchermonetarisiertwirdodernicht.Darauswerden sogleich,
etwa von der gelernten Buchhändlerin und Verlagsmitarbeiterin Ute Nöth,
konkrete Vorstellungen abgeleitet,11 die sich gutmit der immerwieder aufge-
brachtenKritikanderKorrumpiertheitgegenwärtigerLiteraturkritikdecken.Sie
schlägt vor, dass Blogger_innen etwa gegen Bezahlung Interviews mit Au-
tor_innen führen sollen. Genau das zu tun – also, statt sich mit den Texten
auseinanderzusetzen, lieber von einem Mittagessen mit dem Autor XY zu
plaudern – wird aber auch etablierten Literaturkritiker_innen vorgeworfen.12
Wenn es der Professionalisierung einer neuenRiege vonKritiker_innen dient,
die eigentlich gar keine Kritiker_innen sein wollen, erscheint dasselbe Unter-
fangen als satisfaktionsfähig. Nun ist tatsächlich die ohnehin schon immer
prekäre finanzielle Situation der Literaturkritik durch die Transformation zu-
sätzlich verschärft worden. Allerdings nicht allein im Sinne einer Verdrän-
gungsdynamik, sondern auch, weil allzu lange an Konventionen festgehalten
wurde, anstatt neugierig auf aktuelle Entwicklungen und Möglichkeiten zu
reagieren.DochsowenigderProzessderDeprofessionalisierungalleinfinanziell
zu beschreiben ist – beispielsweise spielen sichwandelndeVerlags- undBuch-
handelsstrukturen ebenso eine Rolle wie der stetig ansteigende Ausstoß an
Neuerscheinungen–, lassensichauchSzenarienderReprofessionalisierungnur
überMonetarisierungsmodelle entwickeln.Wie das an den tatsächlichenAuf-
gabenunddensicheröffnendenMöglichkeitenvorbeigeht,kannmangutandem
Bemühen zahlreicher Blogger_innen beobachten, von denVerlagen als gegen-
über dem traditionellen Feuilleton der großen Tages- undWochenzeitungen
sowiedenKultursenderndesöffentlich-rechtlichenRundfunksgleichberechtigte
Zirkulationsagentenbehandelt zuwerden.Manifestwirddas in einemvonden
10 Ebd.
11 Vgl.Nöth2016.
12 Vgl.Kaube2016.
GuidoGraf180
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Über Bücher reden
Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Titel
- Über Bücher reden
- Untertitel
- Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Autor
- Doris Moser
- Herausgeber
- Claudia Dürr
- Verlag
- V&R unipress
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1323-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 262
- Kategorie
- Lehrbücher