Seite - 202 - in Über Bücher reden - Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
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© 2021 V&R unipress, Brill Deutschland GmbH
ISBN Print: 9783847113232 – ISBN E-Lib: 9783737013239
Buch-BloggerInnen-CommunityistdasBuch,dasineinemgeteiltenHabitusder
Bibliophilie adressiertwird. Formulierungenwie: „Ich liebeBücher“, „Lesen ist
für mich wie atmen“ oder schlicht Blog-Namen wie Bibliophilin oder Biblio-
maniesindparadigmatisch.AberaucheinedeutlicheSelbst-Perspektivierungals
LeserIn17 ist indenmeistenBlogs sehrausgeprägt.18
DerzweiteAspekt, jenerderDynamik,wirdmitKnippals „Aspektder ‚Ver-
gemeinschaftung durch Literatur‘“19 gefasst. Auch wenn sie diese ‚Verge-
meinschaftung‘nichtnäherdefiniert,werdendarunter imFolgenden(diskursiv
sichtbare) Praktiken verstanden, welche die einzelnen Buch-BloggerInnen als
Rezeptionsgemeinschaft kollektiv und in der Interaktion untereinander reali-
sierenundwelche inmehroderwenigerengemZusammenhangmitderLektüre
literarischerTexte stehen.
Der dritte Aspekt, jener der Kritik, generiert sich weniger aus der wissen-
schaftlichen Theoriebildung, sondern vielmehr aus den andauerndenKontro-
versenumBuch-BloggerInnenundihrenunklarenStatuszwischentraditioneller
LiteraturkritikundprivaterLeserschaftbeziehungsweisezwischenderHoffnung
auf „DemokratisierungderKritik“20 einerseits undderAngst vor ihrer ‚Verro-
hung‘andererseits.21 ImSpannungsfeldvonErmächtigungundVereinnahmung
wirdimFallederBuch-BlogsinsbesonderederunkritischeUmgangmitVerlagen
kritisiert und ein Selbstverständnis, das mehr dem verkaufsfördernden Ser-
vicegedanken einesBuchhändlers entspricht als demeines kritischurteilenden
Kunstrichters.22DienachfolgendenBetrachtungengehendavon, dass das kriti-
sche Potenzial und seine unterschiedlich starke Ausprägung sich nicht nur in
unterschiedlichenBlogs undBlogotopen, sondern inAbhängigkeit vonder je-
weils gewähltenFormderVergemeinschaftungabzeichnet.
17 EinBeispiel ist die SelbstbeschreibungvonTobiasNazemi auf seinemBlogBuchrevier, der
sich als „Lastman reading“ stilisiert und der das Bloggen nicht als Teil einer produktiv-
schreibenden, sondern als rezipierende Tätigkeit auffasst: „Ich kenne mittlerweile mehr
Menschen,die schreiben[…] alsMenschen,die lesen.Unddamitmeine ich:bewusst lesen.
[…] Hier im buchrevier gibt es ihn noch. Einen der letzten lesenden Männer. Mich.“,
BUCHREVIER2015.
18 Natürlich gibt es von dieser Selbstdarstellung auch Abweichungen in beide Richtungen.
Einerseits gibt esBuch-BloggerInnen, die ihrBlogdezidiert als „kritisches, journalistisches
Angebot“verstehen(Vgl.Kienbaum,lustauflesn)undebensojene,diesichselbstbewusst
als „booknerdund fangirl“bezeichnen(Vgl. Ludwig,Bookilicius).
19 Knipp,LiteraturbezogenePraktiken, 2017, S. 107.
20 Anz2004,S. 188.AnzrelativiertunddifferenziertdiesePrognoseallerdings späteraus.Vgl.
Anz2010.
21 Vgl. Ernst2015, S. 93.
22 BeispielsweisederAutorundBloggerStefanMeschwünschtsichvondenBuch-BloggerInnen
„mehrWarnungen,mehrWiderspruch,mehrTexte, dieBüchernichtnurbeschreibenund/
oder loben.“Steglitzmind2015.
KristinaPetzold202
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Über Bücher reden
Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Titel
- Über Bücher reden
- Untertitel
- Literaturrezeption in Lesegemeinschaften
- Autor
- Doris Moser
- Herausgeber
- Claudia Dürr
- Verlag
- V&R unipress
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1323-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 262
- Kategorie
- Lehrbücher