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1.3. DIE THUN’SCHEN REFORMEN IN DER FORSCHUNG 43
tiven thut“128. Die liberale Tageszeitung Die Presse beurteilte den Minister in
einem Nachruf hingegen kritischer und schrieb, Thun sei einer „der merkwür-
digsten, eigenartigsten Charakterköpfe unserer Zeit“129 gewesen, in dem sich
strenge Gläubigkeit und „stupende Gelehrsamkeit“130 miteinander vereinigt
hatten. Aus der Sicht Walter Rogges131, einer der schärfsten Kritiker Thuns,
war Thun lediglich der Handlanger einer „blaublütigen Jesuitenclique“132, der
weder „staatsmännische Ideen“ noch Fähigkeiten besaß. Die zitierten Passa-
gen bilden die beiden Pole, innerhalb derer sich die Bewertung von Thun im
19. Jahrhundert bewegte und an denen sich die Geschichtsschreibung in den
folgenden Jahrzehnten orientierte. Dabei kam es stets auch zu einer Vermi-
schung von Bewertungen der Universitätsreformen mit Beurteilungen seines
Charakters: Das eine ist vielfach vom anderen abhängig bzw. beeinflusst und
manchmal lässt sich beides nicht voneinander trennen.
1.3.2.1 Urteile von Zeitgenossen
Der Präsident des Reichsrates Karl Friedrich Kübeck von Kübau133 beschrieb
Thun noch während dessen Amtszeit in seinem Tagebuch als „völlig unklaren
Kopf“134. Ähnlich sah es Viktor Andrian-Werburg, der mit Thun regelmäßig
um Ämter in der Hofkammer konkurrierte, als beide dort dienten, wenn er
Thun als Mann von „mystisch-confusem Wesen“135 bezeichnete. Schon 1846,
nachdem Thuns Beförderung als Gubernialrat nach Galizien bekannt gewor-
den war, bezeichnete er ihn als „eine secundaire Intelligenz mit bloß provin-
ciellen und noch dazu undeutschen Tendenzen.“136 Jahre später, nachdem
Thun bereits als Unterrichtsminister mit der Umsetzung der Reformen be-
128 Joseph Alexander Freiherr von HeLfert, Graf Leo Thun +, in: Das Vaterland, 29
(19.12.1888), S. 1–2, hier S. 1. Bezugnehmend auf eine Aussage von Franz Exner.
129 o. autor, Leo Thun +, in: Neue Freie Presse, Morgenblatt (18. 12. 1888), S. 1–2.
130 Ebenda.
131 Walter Rogge (Elbing 1822–1892 Halle a.d. Saale), Journalist und Historiker, besonders in
der liberalen Ära mit großer Reichweite.
132 Walter rogge, Österreich von Vilàgos bis zur Gegenwart, Bd. 1. Das Dezennium des Neo-
absolutismus, Leipzig, Wien 1872, S. 400.
133 Karl Friedrich Kübeck von Kübau (Iglau 1780–1855 Wien), Staatsmann, seit 1848 Berater
von Kaiser Franz Joseph, erster Präsident des Reichsrates.
134 Friedrich waLter (Hg.), Aus dem Nachlass des Freiherrn Carl Friedrich von Kübeck von
Kübau. Tagebücher, Briefe, Aktenstücke (1841–1855) (= Veröffentlichungen der Kommis-
sion für Neuere Geschichte Österreichs 45), Graz 1960, S. 85.
135 Viktor Franz Freiherr von andrian-werBurg, Österreich wird meine Stimme erkennen ler-
nen wie die Stimme Gottes in der Wüste. Tagebücher 1839–1858, 3 Bände, hg. von Franz
Adlgasser, Bd. I, Wien, Köln, Weimar 2011, S. 670 (Eintrag vom 18.03.1847).
136 Ebenda, Bd. I, S. 603 (Eintrag vom 20.07.1846).
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen