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1.3. DIE THUN’SCHEN REFORMEN IN DER FORSCHUNG 47
bach nach dem glaubenseinheitlichen Innsbruck das deutsche Bürgerthum,
diesen bitter gehaßten Herd aller Freiheits- und Aufklärungsbestrebungen,
zertritt.155
Mit ebenso harten Worten geißelt Rogge Thuns charakterliche Inkonse-
quenz, indem er diesen einerseits als Anhänger Tocquevilles und anderer-
seits als Parteigänger „krassester jesuitischer Intoleranz“156 beschreibt. Er
sprach dem „Concordatsgrafen“157 daher jegliche staatsmännische Fähigkeit
ab und schloss mit dem Resümee, das einzig konsequente an Thun sei des-
sen Inkonsequenz gewesen.
Adolf Fickers158 Bericht über das österreichische Unterrichtswesen159 aus
demselben Jahr ist in seiner Kritik zwar weniger deutlich, erwähnt aller-
dings mehrmals den negativen Einfluss, den „die kirchliche Tendenz des Mi-
nisteriums“160 auf die gesamte Reform bzw. das Bildungssystem und dessen
öffentliche Wahrnehmung genommen hat.
Gerade dieser letzte Punkt sowie das Mitwirken am Konkordat ließen in
der liberalen Geschichtsschreibung die Bewertung von Thun zu einer Ab-
rechnung verkommen. Für viele Klerikale hingegen war Thun nicht weit
genug gegangen und die Berufung von zahlreichen Protestanten an österrei-
chische Universitäten war wiederum für sie der Grund für den Vormarsch
des Liberalismus’ in den 1860er- und 70er-Jahren.161 So ergibt sich das Bild,
dass die Kritik an Thun und der Universitätsreform vielfach nicht anhand
des Ergebnisses gebildet worden war, sondern (liberalen, deutschnationalen
155 Rogge, Österreich von Vilàgos bis zur Gegenwart, S. 403.
156 Ebenda, S. 400.
157 Ebenda, S. 150.
158 Adolf Ficker (Olmütz 1816–1880 Wien), Statistiker, 1840–53 Lehrer am Lyzeum Laibach,
an der Universität Olmütz und am Gymnasium von Czernowitz, ab 1853 Ministerialsekre-
tär in der Direktion für administrative Statistik, ab 1864 deren Leiter.
159 Adolf ficker, Geschichte, Organisation und Statistik des Österreichischen Unterrichtswe-
sens. Mit statistischen Tabellen von k.k. Hofsecretär Gustav Schimmer, I. Theil, Wien 1873.
160 ficker, Geschichte, Organisation und Statistik des Österreichischen Unterrichtswesens, S.
243.
161 Beispielhaft kann die Wahl Hermann Bonitz zum Dekan der philosophischen Fakultät an
der Wiener Universität genannt werden, die zu einer heftigen Auseinandersetzung über
den katholischen Charakter der österreichischen Universitäten geführt hat. Vgl. dazu
etwa Die Dekanatswahl der philosophischen Fakultät an der Universität Wien, in: Histo-
risch-politische Blätter für das katholische Deutschland (1851), S. 327–332; Otto weiss,
Bolzanisten und Güntherianer in Wien 1848–1851, in: Helmut Rumpler (Hg.), Bernard
Bolzano und die Politik. Staat, Nation und Religion als Herausforderung für die Philoso-
phie im Kontext von Spätaufklärung, Frühnationalismus und Restauration (= Beiträge des
Bolzano-Symposions der Österreichischen Forschungsgemeinschaft und der Internationa-
len Bolzano-Gesellschaft, 17./18. Dezember 1999, Wien), Wien 2000, S. 247–280.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen