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1.3. DIE THUN’SCHEN REFORMEN IN DER FORSCHUNG 59
tionalsozialismus.218 In ähnliche Richtung wie Meisters Rede zielt auch
der Beitrag von Heinrich Drimmel, damals ÖVP-Unterrichtsminister und
Schüler Meisters, der Thun eine kleine Arbeit widmet und dort die Kontinu-
itäten zu dem wenige Jahre vorher verabschiedeten Hochschulorganisati-
onsgesetz (HOG 1955) herausstreicht und sich damit unausgesprochen vom
Nationalsozialismus distanziert: Dabei hebt er das ausgewogene Verhältnis
von Staat und Universität und die Autonomie der Wissenschaft besonders
hervor, also genau zwei Punkte, die im Nationalsozialismus nicht gegeben
waren.219 Dieses ausgewogene Verhältnis zwischen Staat und Universitäten
sollte in der Gegenwart wieder hergestellt werden und so die ‚Politisierung‘
der Universitäten verhindern: Letztlich war dies wohl eine Umschreibung
dafür, dass die Universitäten an die konservative ÖVP und an das von der
Volkspartei dominierte Unterrichtsministerium gebunden bleiben und vor
dem Einfluss der SPÖ geschützt werden sollten.220 Dass auch die Bildungs-
reformer der 1960er- und 1970er-Jahre das Werk von Lentze gelesen haben
und es damit zumindest eine gewisse Wirkung auf die Reformgestaltung der
1960er- und 1970er-Jahre (UOG 1975) hatte, sagt Rudolf Strasser, damals
Mitarbeiter der Arbeiterkammer, in seiner Autobiografie.221
Meister hat in einem späteren Werk zur Geschichte des österreichischen
Studienwesens222 sein früheres Urteil etwas abgeschwächt, nachdem Lentze
218 Die Rolle von Richard Meister während des Nationalsozialismus’ und dessen Rolle als
Wissenschaftsmanager nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in den letzten Jahren kri-
tisch beurteilt, etwa bei der Tagung Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis
1945 und der gleichnamigen Ausstellung. Siehe dazu auch den Katalog der Ausstellung:
Johannes feicHtinger/Herbert matis/Stefan sieneLL/Heidemarie uHL (Hgg.), Die Akade-
mie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung, Wien 2013. Zu
Meisters Rolle als Spin-doctor der österreichischen Wissenschaftspolitik nach 1945 und zur
Indienstnahme von Thun vgl. Franz Leander fiLLafer/Johannes feicHtinger, Leo Thun
und die Nachwelt. Der Wissenschaftsreformer in der österreichischen Geschichts- und
Kulturpolitik des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Christof Aichner/Brigitte Mazohl (Hgg.),
Die Thun-Hohenstein’schen Universitätsreformen 1849–1860. Konzeption – Umsetzung –
Nachwirkungen, Wien, Köln, Weimar 2017, S. 55–75. Insgesamt kommen sie zu einem
ähnlichen Ergebnis wie die vorliegende Arbeit, was die Rezeption Thuns angeht. Zu Meis-
ter als Forscher und „Wissenschaftsmanager“ siehe auch Leitner, Richard Meister als Uni-
versitätshistoriker.
219 Heinrich drimmeL, Die Hochschulreform von Thun-Hohenstein, in: Österreich in Ge-
schichte und Literatur (1959), S. 1–7.
220 Vgl. dazu besonders ausführlich und differenziert bei fiLLafer/feicHtinger, Leo Thun und
die Nachwelt.
221 Vgl. Rudolf strasser, Jurist in bewegten Jahren. Erinnerungen, Wien 12007, S. 135.
222 Richard meister, Entwicklung und Reformen des österreichischen Studienwesens. Teil I:
Abhandlung (= Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Histori-
sche Klasse 239, 1. Abhandlung, Teil I), Wien 1963b.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen