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1.3. DIE THUN’SCHEN REFORMEN IN DER FORSCHUNG 63
Wien, bei dem Borodajkewycz angestellt war. Das damalige Familienober-
haupt, Franz Anton Thun-Hohenstein, fürchtete nämlich eine Beschlag-
nahmung des Familienarchivs durch die tschechoslowakischen Behörden.
In der Folge arbeitete Borodajkewycz im HHStA an der Edition. Aus dieser
Zeit stammen auch Abschriften von Briefen, die noch heute im Besitz der
Kommission sind. Borodajkewycz kam auf Grund der finanziellen Not der
Kommission und durch Mitarbeit an anderen Projekten jedoch nur langsam
voran. Seit dem „Anschluss“ 1938 und spätestens mit Kriegsbeginn verlief
sich das Projekt.244 Nach 1945 wurde eine Wiederaufnahme des Projekts in
der Kommission – die Archivalien befanden sich damals noch im HHStA
in Wien – zwar diskutiert, scheiterte aber an zwei Problemen. Einerseits
befürchtete man, dass die Dokumente bald von der Tschechoslowakei zu-
rückverlangt werden würden. Schwerwiegender wog aber wohl, dass „der
seinerzeitige Bearbeiter“, wie es beschönigend hieß „‚vermutlich beruflich
verhindert‘ wäre“245.
Winter und Borodajkewycz waren seit den 1930er-Jahren miteinander
bekannt und sie verband in den ersten Jahren das Engagement in der ka-
tholischen Bewegung und ein gemeinsames wissenschaftliches Interesse,
nämlich die „katholischen Geistesströmungen im 19. Jahrhundert in Böh-
men.“246 Beide sahen in Thun damals zwar eine vermittelnde und verbin-
dende Gestalt, jedoch mit leicht unterschiedlichen Konnotationen. Winter
betonte vor allem Thuns Versuche der Vermittlung zwischen Deutschen und
Tschechen und stellte Thun als einen typischen Vertreter Altösterreichs
dar.247 Hingegen fand Borodajkewycz anerkennende Worte dafür, dass er das
244 Siehe feLLner, „… ein wahrhaft patriotisches Werk“, S. 108–109. Ein Ergebnis der Arbei-
ten ist ein Aufsatz zu Leo Thun und Onno Klopp: Taras von BorodaJkewycz, Leo Thun und
Onno Klopp, in: Gesamtdeutsche Vergangenheit. Festgabe für Heinrich Ritter von Srbik,
München 1938, S. 319–334.
245 feLLner, „… ein wahrhaft patriotisches Werk“, S. 134. Vgl. auch einen Brief an Srbik, Wien
14.04.1949, Personalakte Srbik, Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaf-
ten. Für den Hinweis sei Doris Corradini gedankt.
246 nemec, Eduard Winter (1896–1982), S. 626. Etwa Borodajkewycz Wiener Dissertation, Ta-
ras von BorodaJkewycz, Deutscher Geist und Katholizismus im 19. Jahrhundert. Darge-
stellt am Entwicklungsgang Constantins von Höfler, Salzburg, Leipzig 1935. Beide standen
auch in brieflichem Kontakt. Vgl. zu Borodajkewycz und Winters Verbindungen nach 1945
auch Michael HocHedLinger/Thomas Just, „Diese Diebstähle sind einzig in der Geschichte
aller Archive der Welt“. Die Affäre Grill 1951–1953. Ein Beitrag zur Personalgeschichte des
Haus-, Hof- und Staatsarchivs zwischen 1. und 2. Republik, in: Mitteilungen des Instituts
für österreichische Geschichtsforschung (2005), S. 362–388, hier S. 379–380.
247 Vgl. etwa winter, Graf Leo Thun, S. 301. Winter sah sich wohl auch selbst in dieser Nach-
folge, vgl. dazu Eduard winter, Erinnerungen (1945–1976), herausgegeben von Gerhard
Oberkofler, Frankfurt a.M., Berlin, Bern, New York, Paris, Wien 1994, S. 5.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen