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1.3. DIE THUN’SCHEN REFORMEN IN DER FORSCHUNG 69
Wechselwirkungen zwischen Universität und Gesellschaft, Fragen der Pro-
duktion von Herrschaftswissen durch die Universitäten bzw. die Frage der
Steuerung von Universitäten und deren Forschung und damit letztlich die
Frage nach der Autonomie der Universitäten. Kennzeichnend für die Ära
Thun sehen der Soziologe und die Soziologin besonders die zunehmende
Rolle der Wissenschaft/Forschung als Produktivkraft besonders der natur-
wissenschaftlichen und technischen Wissenschaften.278 Gleichzeitig sollte
das reformierte Bildungssystem die Binnenstabilisierung der Monarchie er-
höhen, zunächst in katholisch-restaurativem Sinne und späterhin um die
Abgrenzung des aufstrebenden Bildungsbürgertums von der Arbeiterschaft
zu zementieren, wodurch sich die Universitäten (aber auch die Gymnasien)
von großen Teilen der Gesellschaft entkoppelten und letztlich auf sich selbst
reduzierten. Zumal man nach 1945 gerade an diese Entwicklung wieder an-
knüpfte – diesmal mit Verweis auf die bewiesene Notwendigkeit der Autono-
mie der Universitäten/Wissenschaften nach dem Nationalsozialismus (s.o.) –
sahen sie damit die Trennung von Gesellschaft und Universität fortgesetzt.
Auf dieser Arbeit aufbauend untersuchte Susanne Preglau-Hämmerle279
zehn Jahre später ebenfalls das österreichische Universitätssystem, wobei
sie – mit deutlich größerer Literaturgrundlage – zu ähnlichen Ergebnis-
sen kommt. Die Thun’schen Reformen deutete sie dabei zunächst als Über-
nahme des Humboldt’schen Modells mit einer Fokussierung auf das neuhu-
manistische Bildungsideal und erkannte in der Abkehr vom utilitaristischen
Ideal des Vormärzes einen deutlichen Funktionswandel der Universitäten.
Ähnlich deutete damals auch Josef Hochgerner280 den Reformprozess, indem
er jedoch besonders die Studenten im Auge hatte.
Mehrere jüngere Arbeiten zu Thun und den Reformen stammen von For-
schern der Universität Graz, wo mit der Ernennung von Walter Höflechner
zum Leiter der Abteilung für österreichische Kultur- und Wissenschaftsge-
schichte seit den späten 1970er-Jahren ein Zentrum für Universitätsge-
schichte in Österreich entstanden ist. Diese neueren Arbeiten sind besonde-
res dem wiedererwachten Interesse an Universitätsreformen geschuldet, das
278 Vgl. fiscHer-kowaLski et al., Selbstbestimmung und Fremdbestimmung der österreichi-
schen Universität, S. 87–115.
279 Susanne PregLau-HämmerLe, Die politische und soziale Funktion der österreichischen
Universität (= Vergleichende Gesellschaftsgeschichte und politische Ideengeschichte der
Neuzeit 5), Innsbruck 1986; siehe auch mit Blick auf Innsbruck: Susanne PregLau-Häm-
merLe, Die Universität Innsbruck in der Geschichte Tirols, in: Heinz Fischer/Susanne
Preglau-Hämmerle (Hgg.), Heile Welt in der Region? Beiträge zum politischen und sozialen
System Tirols, Bregenz 1983, S. 108–146.
280 Josef HocHgerner, Studium und Wissenschaftsentwicklung im Habsburgerreich. Studen-
tengeschichte seit Gründung der Universität Wien bis zum Ersten Weltkrieg, Wien 1983.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen