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2.2. DIE UNIVERSITÄTEN IM VORMÄRZ 77
Die Fokussierung auf die Praxis19, welche die aufgeklärten Reformpläne von Jo-
seph II. geprägt hatte, sollte sich als bestimmendes Element der vormärzlichen
Universitäten fortsetzen. Die meisten Universitäten blieben Ausbildungsstätten
von Staatsbeamten. Das bedeutete, dass vor allem die Ausbildung an der juridi-
schen Fakultät im Vordergrund stand. Die philosophische Fakultät als niedere
Fakultät sollte die Studenten auf das Studium an den höheren Fakultäten vor-
bereiten. Daher waren gerade die kleineren Universitäten in dieser Zeit, so auch
diejenige in Innsbruck, nur dem Namen nach Universitäten, in der Realität blie-
ben sie die Lyzeen, zu denen sie unter Joseph II. herabgestuft worden waren.20
Der Unterricht an den Universitäten fand in der Regel nach vorgeschrie-
benen Lehrbüchern oder nach von der Studienhofkommission genehmigten
eigenen Heften und Manuskripten der Professoren statt. Die Studenten
mussten ihr erworbenes Wissen in Semestral- und Annualprüfungen unter
Beweis stellen und konnten nur bei positivem Ergebnis in das nächste Stu-
dienjahr wechseln. Die Leitung der Universitäten und Fakultäten sowie die
Überwachung der Lehre lagen in den Händen staatlich bestellter Direkto-
ren.21 Die Karlsbader Beschlüsse im Jahre 1819, die eine Überwachung der
Universitäten erwirkten, schränkten zudem die traditionelle studentische
Mobilität ein. Für Studien im Ausland war eine Sonderbewilligung notwen-
dig. Da jedoch für den Staatsdienst in Österreich der Besuch einer österrei-
chischen Universität vorgesehen war, verlor ein Studium im Ausland aber
auch an Anziehungskraft. Nicht zuletzt war es durch die Einführung des
ABGB und die Ausrichtung der Lehre an der juridischen Fakultät an dem-
selben zu einer gewissen Auseinanderentwicklung der Studien im nunmeh-
rigen Deutschen Bund gekommen. Auch deshalb war eine Wahl des Studien-
orts außerhalb der Monarchie gerade für ärmere Studenten wenig sinnvoll.22
19 Für einen Überblick zur allgemeinen Entwicklung in Europa zu dieser Zeit siehe Notker
Hammerstein, Die Universitäten in der Aufklärung, in: Walter Rüegg (Hg.), Geschichte der
Universität in Europa, München 1996, S. 495–506.
20 Vgl. engeLBrecHt, Geschichte des österreichischen Bildungswesens, Bd. 3, S. 270; siehe
auch das Urteil von oBerkofLer et al., Geschichte der Universität Innsbruck (1669–1945),
S. 101.
21 Vgl. auch eine zeitgenössische Schilderung in polemischer Form: Aus dem Hörsaal. Studi-
enbilder aus Österreich, Leipzig 1848. Eine bezeichnende Schilderung aus der Außenper-
spektive eines norddeutschen Professors gibt uns Heinrich Marquardsen. Er schloss seine
Schilderungen: „Darum gieng und geht aber auch Alles in Oesterreich den Krebsgang.
Denn natürlich es gehörte eine besonders gesunde Natur dazu, unter dem Joche dieses
Universitätssystems nicht geistig zu verkrüppeln und sittlich zu verderben.“ marquardsen,
Universitäten, S. 703–704, insgesamt S. 699–704.
22 Vgl. zu den juridischen Studien im Vormärz auch bei Lars Maximilian Graf von tHun und
HoHenstein, Bildungspolitik im Kaiserreich. Die Thun-Hohenstein’sche Universitätsre-
form insbesondere am Beispiel der Juristenausbildung in Österreich (= Europäische Hoch-
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen