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2 DIE THUN-HOHENSTEIN’SCHEN REFORMEN
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von einer Orientierung an den „blühenden Hochschulen Deutschlands“.
Ähnlich formulierte es Franz Exner, der davon sprach, dass „Deutschlands
bewährteste Einrichtungen [...] zumeist als Muster zu dienen“31 hätten,
ohne diesem blind folgen zu wollen. Und so lesen wir es auch bei Leo Thun-
Hohenstein, wenn er im Ministerrat vom 25. September 1849 erklärte, „daß
bei diesem provisorischen Gesetze [zur Neuordnung der Universitäten, C.A.]
im Wesentlichen der Typus der deutschen Universitäten im Auge behalten
wurde“32. Karl Ernst Jarcke, Berater von Thun, diagnostizierte indes einen
Mittelweg in Österreich, „der Mitte hielt zwischen den bisherigen Verhält-
nissen und dem protestantisch-deutschen Universitätswesen“.33 Auch die
Kritik an den Reformen hängte sich vielfach an der Übernahme eines deut-
schen respektive eines protestantischen Modells auf.34
Die Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert sprach daher vielfach von
der Übernahme des Humboldt’schen Modells in Österreich, da die deutschen
Universitäten des 19. Jahrhunderts zunehmend mit einem solchen Modell
assoziiert worden waren.35 Allerdings haben vor allem die Forschungen
von Rüdiger vom Bruch36 und Sylvia Paletschek37 gezeigt, dass ein solches
Modell der Humboldt’schen Universität im 19. Jahrhundert nicht geläufig
war.38 Beide haben darauf hingewiesen, dass die Konstruktion eines sol-
chen Modells erst am Ende des 19. Jahrhunderts begonnen hat und dann
besonders im 20. Jahrhundert Konjunktur hatte. Auch die heute so oft zi-
tierte Denkschrift Humboldts Über die innere und äußere Organisation der
31 Franz eXner, Die Reformen des öffentlichen Unterrichts in Oesterreich, in: Constitutio-
nelle Donau-Zeitung (20., 22., 26., 29.04.1848), S. 230.
32 Die Protokolle des österreichischen Ministerrates (1848–1867). II. Abteilung (Das Minis-
terium Schwarzenberg), Bd. 1, Wien 2002. Vgl. auch ProBst, Geschichte der Universität
Innsbruck seit ihrer Entstehung bis zum Jahre 1860, S. 341. Er spricht auch von einem
deutschen Vorbild.
33 Jarcke an Thun, Wien 07.08.1852, Nachlass Leo Thun, A3 XXI D171, Staatliches Gebiets-
archiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
34 Vgl. dazu etwa die Kritik des Innsbrucker Professors Karl Libor Kopetzky im Schlusskapi-
tel.
35 Vgl. dazu die Anmerkungen bei Mitchell G. asH, Wurde ein „deutsches Universitätsmodell“
nach Österreich importiert? Offene Forschungsfragen und Thesen, in: Christof Aichner/
Brigitte Mazohl (Hgg.), Die Thun-Hohenstein’schen Universitätsreformen 1849–1860. Kon-
zeption – Umsetzung – Nachwirkungen, Wien, Köln, Weimar 2017, S. 76–98.
36 BrucH, Langsamer Abschied von Humboldt?
37 Sylvia PaLetscHek, Die Erfindung der Humboldtschen Universität, in: Historische Anthro-
pologie 10 (2002), S. 183–205.
38 Zuletzt auch noch einmal Dieter LangewiescHe, Die ‚Humboldtsche Universität‘ als natio-
naler Mythos. Zum Selbstbildnis der deutschen Universitäten in ihren Rektoratsreden im
Kaiserreich und in der Weimarer Republik, in: Historische Zeitschrift 290 (2010), S. 53–91.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen