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2.6. LEO THUN-HOHENSTEIN 101
angedeutet erfolgte die Berufung von Thun ins Ministerium dann durchaus
überraschend. Doch Thun fand sich rasch in dem Amt zurecht und legte,
nachdem die Vorarbeiten für die Reform von Exner bereits geleistet waren,
den fertigen Gesetzesentwurf dem Kaiser zur Bewilligung vor. Exner und
Thun kannten sich im Übrigen bereits aus Prag. Thun verkehrte mehrfach
im Salon des um einige Jahre älteren Philosophen.145 Dass Thun sich bereits
vor seiner Berufung in das Ministeramt mit der Unterrichtsreform befasste,
zeigt auch ein Brief von Thun an Exner aus dem Frühjahr 1849, als sich
Thun bei Exner über das „Ziel“146 der Unterrichtsreform erkundigte.
Mehrfach thematisiert und unterschiedlich gedeutet wurde auch Leo Thuns
Hinwendung zur katholischen Restauration und dem romantisch-konserva-
tiven Milieu in den 1840er-Jahren, die in besonderem Maße seine Minister-
schaft prägten. Schon Zeitgenossen und liberal orientierte Historiker sahen
darin einen wunden Punkt in Thuns Politik und seiner Leistung als Univer-
sitätsreformer. Auch Hans Lentze betonte die Anlehnung Thuns an roman-
tisch-konservative, teils ultramontane Kreise, die vielfach durch Konvertiten
und/oder den Görreskreis geprägt waren.147 Umgekehrt sah Thienen-Adler-
flycht darin keinen Bruch mit den Gedanken des josephinischen Reformka-
tholizismus, sondern vielmehr eine Fortführung desselben, da in Böhmen
die Romantik nicht so sehr ein Gegenprogramm zum Rationalismus der Auf-
klärung, sondern vielmehr als deren Frucht und Fortführung zu betrachten
sei.148 Franz Fillafer hat zuletzt überzeugend dargestellt, dass es gerade die
unterschiedlichen Ausformungen der Aufklärung149 in der Habsburgermonar-
chie waren, die es Thun ermöglichten, sowohl mit liberalen als auch mit kon-
servativen Zeitgenossen gemeinsame Standpunkte finden zu können. Diese
Mehrdeutigkeit führte dann jedoch zu dem widerspruchsvollen Bild von Thun
in der Geschichtsschreibung, das weiter oben bereits beschrieben worden ist.
Ähnliches zeigt sich auch im Hinblick auf das Konkordat mit dem Heiligen
Stuhl, dessen Abschluss im Jahr 1855 etwa die Mitte von Thuns Amtszeit
markiert. Was für die einen der größte Sündenfall Thuns war, war für die
meisten Katholiken eine der größten Leistungen Thuns während seiner Mi-
145 Vgl. frankfurter, Graf Leo Thun-Hohenstein, Franz Exner und Hermann Bonitz, S. 26–
27; zu Exner in Prag auch coen, Vienna in the age of uncertainty, S. 38–39.
146 Thun an Exner, Prag 11.04.1849, 273/47-3, Österreichische Nationalbibliothek, Hand-
schriftensammlung.
147 Lentze, Die romantisch-konservative Richtung der deutschen Rechtsgeschichte.
148 Vgl. tHienen-adLerfLycHt, Graf Leo Thun im Vormärz, S. 19.
149 Franz Leander fiLLafer, Eine Gespenstergeschichte für Erwachsene. Überlegungen zu ei-
ner Geschichte des josephinischen Erbes in der Habsburgermonarchie, in: Christian Ehalt/
Jean Mondodt (Hgg.), Was blieb vom Josephinismus? Zum 65. Geburtstag von Helmut Rei-
nalter, Innsbruck 12010, S. 27–56.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen