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2 DIE THUN-HOHENSTEIN’SCHEN REFORMEN
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skizziert.161 Die bisherige Verwaltung durch Beamte („bürokratische All-
herrschaft“)162 sollte durch eine neofeudale Ordnung ersetzt werden, die aus
einem mehrstufigen System von organisch gewachsenen Gebietskörper-
schaften bestehen sollte, und die über das Recht von lokalem Selfgovern-
ment verfügten: auf der untersten Ebene die Ortsgemeinden bzw. die Güter
unter der Verwaltung von Grundherren, darüber die Kreis- und Landtage.163
Der Kaiser lehnte den Vorschlag ab, nachdem auch Ministerpräsident Rech-
berg gegen das Programm der böhmischen Konservativen opponiert hatte.164
Während die Biografie Thuns bis zum Vormärz und auch seine Minister-
zeit sehr gut erforscht sind, gibt es für die Zeit danach nur wenige Arbei-
ten und nur versprengte Hinweise.165 Dabei wurde Thun insbesondere als
zentraler Vertreter des Konservatismus der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts gedeutet. Unter dieser Prämisse war es neuerlich Thienen-Adler-
flycht, der das Fehlen einer Biografie Thuns in seiner zweiten Lebenshälfte
teilweise ausgleichen konnte, und 2003 mit einem Aufsatz seine bisheri-
gen Forschungen zu Thun zusammengefasst und auch die Zeit nach 1860
– vor allem Thuns politische Ideen – dargestellt hat.166 Dabei steht allem
voran Thuns Kampf gegen den Zentralismus, die „Omnipotenz der Staats-
gewalt“167 und gegen den Liberalismus im Zentrum, der sich bereits im
gemeinsamen Programm von Wolkenstein und Clam abgezeichnet hatte.
Diesen Kampf verfolgte Thun seit 1861 als lebenslängliches Mitglied des
Herrenhauses des Reichsrates, welches er allerdings 1867 aus Protest ge-
gen die liberale Politik und den Ausgleich verließ, und als Abgeordneter
des Böhmischen Landtags (1861–1867, 1870 und 1883–1888). Daneben en-
161 Vgl. maLfèr, Einleitung, S. XXVIII–XXX.
162 Memorandum von Heinrich Jaroslav Clam in der Konferenz vom 3. August 1859, abge-
druckt in: Die Protokolle des österreichischen Ministerrates (1848–1867). IV. Abteilung
(Das Ministerium Rechberg) Bd. 1, S. 489.
163 Siehe alle Protokolle bei Die Protokolle des österreichischen Ministerrates (1848–1867).
IV. Abteilung (Das Ministerium Rechberg) Bd. 1, S. 481–500; vgl. auch HöBeLt, Graf Karl
Wolkenstein (1802–1875), S. 223–224. In den Briefen von Wolkenstein an Thun aus den
1850er-Jahren finden sich mehrfach solche Ideen.
164 Siehe dazu maLfèr, Einleitung, S. XXX–XXXI.
165 Vgl. etwa Lothar HöBeLt, Graf Leo Thun als Führer der konservativen Opposition, oder:
Aufstieg und Fall der „Österreichischen Rechtspartei“ (1872–74), in: Dagmar Hajkova/Lu-
bos Velek (Hgg.), Historik na sachvini dejin. K petasedemdesatinam Jana Galandauera,
Prag 2011, S. 112–133.
166 tHienen-adLerfLycHt, Graf Leo Thun-Hohenstein als nachjosephinischer Vorkämpfer eines
aufgeklärten Konservativismus; zuletzt auch kaPferer, Graf Leo von Thun und Hohen-
stein, S. 229–288.
167 tHienen-adLerfLycHt, Graf Leo Thun-Hohenstein als nachjosephinischer Vorkämpfer eines
aufgeklärten Konservativismus, S. 160.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen