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3.2. RECHTLICHE NEUERUNGEN FÜR DIE UNIVERSITÄT 125
Professoren zu einem erbosten Reaktionsschreiben, wovon uns zwei Kon-
zepte erhalten sind, die einiges über das neue bürgerliche Selbstverständnis
der Professoren aussagen. Aufgebracht schreiben die Professoren dort, dass
sie die Erlaubnis als „förmliche Ironie gegen den größten Theil der hiesi-
gen Professoren“ ansähen, zumal ein Besuch der Versammlung „unter den
gegenwärtigen konstitutionellen Verhältnissen ohnehin keinem Anstand
unterliegen könne, daher eine derartige Bewilligung von selbst wegfalle.“81
Dennoch forderte man vom Ministerium eine finanzielle Unterstützung für
die Reise, zumal man sonst die „Nichttheilnahme am Jenaer Congress durch
den Mangel der Unterstützung von Seite der constitutionellen österreichi-
schen Regierung entschuldigen müsste.“82 Hierin drückt sich auch aus, wie
sehr die Professoren als gesellschaftliche Elite bereits die neue rechtliche
Grundlage verinnerlicht hatten. Zudem lässt sich in der Absicht, am Kon-
gress in Jena teilnehmen zu wollen, auch das Bewusstsein der Professoren
erkennen, einer gesamtdeutschen (zumindest universitären) Gemeinschaft
anzugehören und ähnlich wie in der Frankfurter Paulskirche im kleinen
Rahmen die Zukunft dieser Gemeinschaft zu erörtern.
Die Wiener Universität war schließlich die einzige österreichische Hoch-
schule, die Vertreter zu der Versammlung entsendete.83 Sie hatte jedoch
auch Vertreter der Doktorenkollegien nach Jena geschickt, was dort für
einiges Stirnrunzeln sorgte. Während die deutschen (Ordinarien-)Univer-
sitäten nur Professoren und allerhöchstens Dozenten, also lediglich die
Lehrenden, als anerkannte Vertreter der Universität gelten ließen, glaubte
man in Wien, dass gerade die Doktorenkollegien die Universität am besten
repräsentieren würden. Somit zeigt sich auch bei dieser Versammlung die
unterschiedliche Wahrnehmung von der ‚Idee der Universität‘. Die Themen,
die auf der Versammlung diskutiert wurden, waren breit gefächert und um-
fassten letztlich auch all jene Themen, die für die Reformen in Österreich
von Relevanz werden sollten. Daher ist es auch sehr aufschlussreich, dass
sich die Vertreter der Wiener Universität zu vielen Anliegen der deutschen
Kollegen kritisch äußerten, meist mit Verweis auf die österreichischen Tra-
ditionen. Deutlich zeichnet sich so schon in Jena die spätere Kritik an den
Reformen ab. Dies gilt etwa für die Fragen nach der Einführung von Staats-
prüfungen oder auch nach der Einführung von Kollegiengeldern.84
81 Sammelakt. Teilnahme am Kongress in Jena, Akten des Rektorats 17, 220/R ex 1848/1849,
Universitätsarchiv Innsbruck.
82 Sammelakt. Teilnahme am Kongress in Jena, Akten des Rektorats 17, 220/R ex 1848/1849,
Universitätsarchiv Innsbruck.
83 Die Vertreter von Prag, Olmütz und Graz erschienen nicht zur Versammlung.
84 Vgl. domricH et al., Verhandlungen deutscher Universitätslehrer über die Reform der deut-
schen Hochschulen in der Versammlung zu Jena vom 21. bis 24. September 1848.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen