Seite - 142 - in Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860 - Aufbruch in eine neue Zeit
Bild der Seite - 142 -
Text der Seite - 142 -
3 DIE REFORMEN AN DER UNIVERSITÄT
INNSBRUCK142
sie trotz der Bedenken die mögliche Vereinheitlichung des Universitäts-
systems.156 Diesen Aspekt der Angleichung mit dem System an den meis-
ten deutschen Universitäten hob auch Leo Thun in seiner Rechtfertigung
hervor, mit dem Argument, dass ansonsten die „Berufung ausgezeichne-
ter Männer an österreichische Universitäten“ aus dem deutschen Ausland
schwieriger werden würde. Für Leo Thun waren damit die Kollegiengelder
auch ein Mittel, um ‚wettbewerbsfähig‘ gegenüber den übrigen deutschen
Universitäten zu werden, und ein zentrales Element seiner Personalpolitik.
Zuletzt haben besonders Bastian Stoppelkamp und Friedrich Stadler diesen
Zusammenhang von Autonomie und Ökonomie hervorgehoben und betont,
wie sehr „eine gelingende Lehr- und Lernfreiheit ohne ein ökonomisch fun-
diertes Anreiz- und Konkurrenzsystem“ für Thun notwendig war.157
Dennoch waren die Kollegiengelder nicht unumstritten. Noch in der Ent-
wurf-Phase der Reformen hatte es bereits Gegenstimmen zur geplanten Ein-
führung der Kollegiengelder gegeben. Der Bothe für Tirol und Vorarlberg
druckte etwa im Juni 1849 einen Artikel aus der Grazer Zeitung mit dem
Titel Collegiengelder, oder nicht? Eine Lebensfrage des österreichischen Uni-
versitätswesens158 und positionierte sich darin klar gegen die Einführung der
Kollegiengelder. Der Autor befürchtet, dass die Lehrenden ihre unabhängige
Stellung verlieren würden, weil sie sich von der Gunst der Studenten abhän-
gig machten. Außerdem, so der Autor weiter, befördere das System nicht,
wie die Befürworter glaubten, eine positive Konkurrenz, sondern schüre
lediglich die Eifersucht im Professorenkollegium. Das Prinzip der Konkur-
renz, so der Autor resümierend, sei nur im Handel gut, aber nicht in der
Wissenschaft und Kunst: „Die Universitäten sollen reine unentweihte Sitze
der Wissenschaft, aber nicht Anstalten sein, die der schmutzigen Geldgierde
ein willkommenes Feld öffnen.“159 Ähnlich sah es auch der Mediziner Anton
Jaksch in einem Brief an Leo Thun, und glaubt, die Einführung der Kolle-
giengelder führe „zu einer Spekulation auf den Säckel der Studierenden“160.
156 Vgl. domricH et al., Verhandlungen deutscher Universitätslehrer über die Reform der deut-
schen Hochschulen in der Versammlung zu Jena vom 21. bis 24. September 1848, S. 17–20.
157 Friedrich stadLer/Bastian stoPPeLkamP, Die Universität Wien im Kontext von Wissens-
und Wissenschaftsgesellschaft, in: Katharina Kniefacz/Elisabeth Nemeth/Herbert Posch/
Friedrich Stadler (Hgg.), Universität–Forschung–Lehre. Themen und Perspektiven im
langen 20. Jahrhundert, Göttingen 2015, S. 203–239, S. 232. Vgl. insgesamt zu diesem
Abschnitt die Überlegungen ebendort.
158 Collegiengelder, oder nicht? Eine Lebensfrage des österreichischen Universitätswesens, in:
Bothe für Tirol und Vorarlberg, 140 (20.06.1849), S. 625–626.
159 Ebenda.
160 Jaksch an Thun, Prag, 16. Juli 1854, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI D267, Staat-
liches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen