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3.4. ERSTE PROBLEME BEI DER UMSETZUNG DER REFORM 145
demnach diejenigen Lehrenden, „welche nicht eine Wissenschaft vertreten,
sondern eine Kunst oder Fertigkeit. Dazu gehören auch die Lehrer leben-
der Sprachen, in soferne sie diese nicht vom wissenschaftlichen Standpuncte
aus, sondern zunächst für den practischen Gebrauch zu lehren haben“169.
Die Gruppe der Lehrer fühlte sich durch die Neuorganisation der aka-
demischen Behörden um ihre bisherige Stellung gebracht. Einerseits, weil
ihnen gewissermaßen der Professorentitel aberkannt worden war, sie zu
Lehrern ‚degradiert‘ und damit auch ein Stück weit ihres sozialen Prestiges
beraubt wurden, andererseits verloren diese auch ihren sicheren Lohn, da
sie ähnlich wie die Privatdozenten forthin keinen festen Lohn mehr bezogen,
sondern nur noch direkt von ihren Schülern und Hörern bezahlt wurden,
was bei der geringen Zahl an Studenten oft nur ein geringes und unsicheres
Einkommen bedeutete. Der ehemalige Professor für Italienisch, Josef No-
wotny170, und der Lehrer für französische Sprache, Alexandre Billaudet171,
protestierten daher gegen diese Herabsetzung.
Besonders Josef Nowotny zeigte sich dabei sehr hartnäckig und versuchte
wiederholt seinen vormaligen Titel zu verteidigen, was im Laufe der Amts-
zeit von Thun zu mehreren Interventionen von Nowotny und der Fakultät
in Wien führte. Schon 1849 hatte sich die philosophische Fakultät in Wien
eine genaue Aufklärung über die Zugehörigkeit der Sprachlehrer zur Fakul-
tät erbeten, woraufhin im April 1849 der erwähnte Erlass veröffentlicht und
der Fakultät mittels Präsidialerlass der Statthalterei mitgeteilt wurde172.
Die unmittelbare Reaktion von Nowotny darauf ist uns zwar nicht bekannt,
doch rückte Nowotny nicht davon ab, seinen ehemaligen Professoren-Titel zu
führen, bzw. sich im Rang eines Privatdozenten auszuweisen, was eigentlich
eine Habilitierung vorausgesetzt hätte.173 Thun sandte im November 1850
gleich zwei Stellungnahmen an die Fakultät, verbot die Einreihung Nowot-
nys unter die Privatdozenten174 und betonte neuerlich, dass „der Rang eines
169 RGBl 401/1848. Siehe auch schon RGBl 217/1848.
170 Josef Nowotny (teilweise auch Novotny) (Beneschau 1806–1858 Innsbruck), Lehrer für ita-
lienische Sprache an der Universität Innsbruck.
171 Alexandre Billaudet (*Belfort 1789), 1814–1837 beim k.k. Militär, ab 1837 Lehrer für fran-
zösische Sprache am Theresianum in Innsbruck, ab 1837 auch Lehrer an der Universität.
172 Vgl. 2134/Praes, Innsbruck 28.04.1849, Akten des Rektorats 17, 234/R ex 1848/49, Univer-
sitätsarchiv Innsbruck. Vgl. allgemein dazu und zu Nowotny bei Gerhard oBerkofLer, Der
italienische Sprachunterricht an der Philosophischen Fakultät Innsbruck im Vormärz, in:
Tiroler Heimatblätter (1982/83), S. 13–20, S. 18–19.
173 Vgl. dazu das Titelblatt des Italienisch-Lehrbuchs, das Nowotny 1850 verfasst hat: Joseph
novotny, Lehrbuch der italienischen Sprachwissenschaft. Zum Gebrauche an Gymnasien
und Universitäten, Innsbruck 1850.
174 7079/802. Thun an die philosophische Fakultät, Wien 08.11.1850, Akten der Philosophi-
schen Fakultät 16, 21/PH ex 1849/50, Universitätsarchiv Innsbruck.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen