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4.1. MODERNISIERUNG UND PROBLEME 159
Bereichen noch zu zeigen sein wird, erfolgte damit auch hier ein Anknüpfen
an vor-josephinische Traditionen. So regte die juridische Fakultät im Jahr
1860 an, Promotionen mit mehr Feierlichkeit zu begehen. Daher erkun-
digte man sich bei anderen Universitäten nach deren Zeremoniell bei sol-
chen Anlässen und einigte sich schließlich darauf, dem Vorbild der Wiener
Universität bei den Promotionen vor dem Jahr 1848 zu folgen. Gleichzeitig
regte die Fakultät an, die Tradition der feierlichen Rektoratsreden zu deren
Inauguration einzuführen und sich damit ebenfalls am Wiener Beispiel zu
orientieren.34 In der Folge bürgerte sich ein, dass anlässlich der jährlichen
Bekanntgabe der Preisfragen für die Studenten der Rektor eine Rede hielt.
Für Furore sorgte in diesem Zusammenhang eine Rede von Rektor Johann
Baptist Wenig SJ „Über die Freiheit der Wissenschaft“, die dieser 1866 ge-
halten hatte. Wenig hatte darin die Ansicht ausgebreitet, wahre Wissen-
schaft könne nur unter dem Primat des Papstes und der Kirche betrieben
werden. Dies hatte zu einigen Kontroversen in und außerhalb der Univer-
sität geführt, stellte einen weiteren Schritt der Eskalation in der Ausein-
andersetzung der weltlichen Fakultäten der Universität mit der theologi-
schen Fakultät dar und weist bereits auf den Antimodernismus des späten
19. Jahrhunderts hin. Letztlich erscheint jedoch gerade das beschriebene
Spannungsverhältnis zwischen Modernisierungstendenzen einerseits und
konservativem Beharren oder der Rückgriff auf Traditionen bzw. deren Be-
gründung andererseits als charakteristisch für die Ära Thuns bzw. für die
Jahre danach.35
Die Talare der Professoren, welche unter Joseph II. abgeschafft worden
waren, wurden im Übrigen erst nach dem Ersten Weltkrieg wieder einge-
führt.36
Der Ausbau der Universität durch die Eröffnung der theologischen Fakul-
tät und durch die Einrichtung neuer Laboratorien hatte auch zur Folge, dass
der Raum in der Universität allmählich knapp wurde. In der Universität wa-
ren damals nämlich auch Klassen des Gymnasiums untergebracht, weitere
Räume nutzte die Landesbaudirektion. Besonders nach Eröffnung der theo-
logischen Fakultät und dem dadurch erforderlichen zusätzlichen Platzbedarf
wurde die Raumnot akut.37 Ein Neubau der Universität erfolgte jedoch erst
am Beginn des 20. Jahrhunderts, sodass der Mangel an geeigneten Räum-
34 Vgl. dazu Sitzungsprotokolle der juridischen Fakultät, Nr. 311, 20.01.1860 und Nr. 440,
19.06.1860, Juridische Sitzungsprotokolle 1848–1871, Universitätsarchiv Innsbruck.
35 Vgl. dazu oBerkofLer, Die Petition der drei weltlichen Fakultäten um Aufhebung der Jesu-
itenfakultät von Jahr 1873, S. 82–83.
36 Vgl. dazu oBerkofLer et al., Geschichte der Universität Innsbruck (1669–1945), S. 64–65.
37 Vgl. Protokoll der Senatssitzung von 5.12.1857; Akten des Rektorats 21, 143/R ad 1857/58,
Universitätsarchiv Innsbruck.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen