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4 ENTWICKLUNGSTENDENZEN DER UNIVERSITÄT IN DER ÄRA
THUN164
mitbestimmten, war für die Obrigkeiten ein Schreckgespenst, dessen Er-
scheinen es für die Zukunft zu verhindern galt. Die Diskussionen um die
Neugestaltung der Universitäten waren daher letztlich immer auch darauf
ausgerichtet, ein neuerliches Aufbegehren der Studenten zu verhindern.
Dabei gab es allerdings unterschiedliche Ansätze, die sich etwa anhand der
Diskussionen im Ministerrat im Jahr 1853/5452 im Wesentlichen auf zwei
verschiedene Standpunkte reduzieren lassen: Auf der einen Seite gab es die
Ansicht, dass ein Aufbegehren der Studenten am besten durch bessere Über-
wachung und Kontrolle der Studenten und Professoren erfolgen sollte, was
im Grunde eine Fortsetzung der Politik des Vormärzes bedeutet hätte. Geg-
ner dieser Ansicht sahen gerade in der Überwachung und rigiden Kontrolle
der Studenten und im streng reglementierten Studiensystem die Ursache
für die Teilnahme der Studenten an der Revolution und forderten daher ein
freieres Unterrichtssystem. Von dieser letzten Ansicht zeugen die ersten
Reformschritte Sommarugas und Exners und ein zentraler Berater Thuns,
Karl Ernst Jarcke, vertrat in einem Brief an den Minister ebenfalls diese
Ansicht:
Welche Rolle im Jahre 1848 die streng nach dem oben geschilderten System er-
zogene, nur nach den vorgeschriebenen Compendien unterrichtete, allein zum
Auswendiglernen abgerichtete, halbjährig examinirte, überwachte, durch eine
Legion von Polizeigesetzen eingeschnürte akademische Jugend spielte, als sie
in der Aula zur Herrschaft über die älteste Monarchie der Welt gelangt war,
dies ist ebenso ein altkundiges Factum, als es andererseits ohne Beispiel in der
Geschichte ist. Die Thatsache beweist also, daß die systematische Unterdrü-
ckung und Vernichtung alles wissenschaftlichen Lebens und Strebens in der
akademischen Jugend den Staat und die Gesellschaft nicht nur nicht geschützt,
sondern Oestreich in eben jenen Jünglingen, die des Vaterlandes Söhne wa-
ren, Feinde erzogen hatte, gefährlicher als jede auswärtige bewaffnete Macht.
Schlimmeres als jene Aulaherrschaft konnte und kann Oestreich in Beziehung
auf die studierende Jugend seiner Universitäten nicht begegnen.53
Jarcke empfahl Thun daher eine Abkehr von Überwachung und eine freie
Entfaltung der geistigen Kräfte von Professoren und Studenten – ein Rat-
schlag, dem Thun im Wesentlichen folgte.
52 Vgl. dazu die abgedruckten Protokolle in Lentze, Die Universitätsreform des Ministers
Graf Leo Thun-Hohenstein, S. 306–348, hier S. 312–313.
53 Jarcke an Thun, Wien 07.08.1852, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI D171, Staatli-
ches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen