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5.8. DIE LEHRSTÜHLE FÜR ALLGEMEINE GESCHICHTE 235
Ficker werde den Ruf auch deshalb annehmen, weil seine Aussichten, in
Preußen an eine Universität berufen zu werden, auf Grund seiner katholi-
schen Konfession schlecht seien. Anschließend charakterisierte er Ficker als
„besonnen fleißig, einfältig332, kirchlich gesinnt ohne es vor sich herzutragen,
in politischer Hinsicht conservativ“333. Zudem konnte Böhmer versichern,
dass Ficker auch in wissenschaftlicher Hinsicht durch seine bisherigen Ar-
beiten sein Talent als Forscher bereits mehrfach unter Beweis gestellt habe,
was ja auch Phillips Thun bereits bestätigt hatte.
Ficker selbst war eilig nach Berlin zu seiner Familie gereist, um die An-
gelegenheit zu besprechen. In seinem Tagebuch notierte er, dass seine Mut-
ter einverstanden war und damit waren seine „Hauptbedenken“334 behoben.
Auch Matthias Aulike335, ein väterlicher Freund, riet ihm, anders als noch
vor einem Jahr bei der in Aussicht stehenden Berufung nach Graz, zur An-
nahme. Von Berlin reiste Ficker weiter nach Wien, um sich direkt mit Thun
zu besprechen. Dort hatte er zwei Unterredungen mit dem Minister und
man war sich bald einig, gleichzeitig konnte Ficker einen Urlaub für eine
Forschungsreise nach Italien aushandeln.336 Ferner ließ er sich versichern,
dass Thun seinen Mentor in Bonn, Joseph Aschbach, nicht nach Wien be-
rufen werde.337 Der Hintergrund für diese Bedingung lag darin, dass an der
Bonner Universität die konfessionellen Spaltungen auf universitärem Boden
immer wieder aufeinanderprallten. Der Katholik Joseph Aschbach war 1842
der Fakultät von Minister Friedrich Eichhorn338 oktroyiert worden, um in
den Geschichtswissenschaften in konfessioneller Hinsicht eine gewisse Pari-
tät herzustellen.339 Ficker fürchtete daher, dass bei einer Abberufung Asch-
332 Wohl im Sinne von ‚schlicht‘, ‚redlich‘, vgl. Jacob grimm/Wilhelm grimm, Deutsches Wörter-
buch, Bd. 3, Leipzig 1862, Sp. 174.
333 Böhmer an Feil, Frankfurt 04.04.1852, 129.598, Wienbibliothek, Handschriftenabteilung.
334 Zit. bei Jung, Julius Ficker (1826–1902), S. 144.
335 Matthias Aulike (Münster 1807–1865 München), 1839 Regierungsrat im preuß. Kultusmi-
nisterium, 1841 Geheimer Regierungsrat und Vortragender Rat für katholisch-kirchliche
Angelegenheiten, seit 1846 Geheimer Oberregierungsrat, 1848/49 Mitglied der Frankfurter
Nationalversammlung, 1858 Ministerialdirektor.
336 Jung, Julius Ficker (1826–1902), S. 145.
337 Vgl. dazu Feil an Ficker, Wien 27.07.1852, Nachlass Ficker, Institut für Österreichische
Geschichtsforschung. Im Übrigen äußerte sich in dieser Sache auch Böhmer ähnlich ge-
genüber Feil, er würde Aschbach nur ungern von Bonn weichen sehen, da es ungewiss sei,
ob man einen würdigen Nachfolger für ihn finden würde. Vgl. Böhmer an Feil, Frankfurt
04.04.1852, 129.598, Wienbibliothek, Handschriftenabteilung.
338 Johann Albrecht Friedrich Eichhorn (Wertheim 1779–1856 Berlin), 1840–1848 preußischer
Kultusminister.
339 Vgl. dazu Friedrich von BezoLd, Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universi-
tät. Von der Gründung bis zum Jahre 1870, Bonn 1920, S. 395.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen