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5.10. VERBANNT NACH TIROL? ANTON MAłECKI UND JOSAPHAT ZIELONACKI 243
Franz Joseph aufgefordert worden, die Entlassungen auf ordentlichem Wege
zum Beschluss vorzubereiten. Thun folgte dieser Aufforderung des Kaisers
zwar, ließ aber durchblicken, dass er mit der Entscheidung nicht vollkom-
men einverstanden war. Denn er hegte Bedenken gegen das Vorgehen, weil
Professoren nicht einfach ohne Disziplinarverfahren entlassen werden konn-
ten. Ein solches erforderte aber eine genaue Anklage und ein geregeltes Ver-
fahren, was alles erst vorbereitet werden müsste.373 Der Kaiser bestand al-
lerdings auf einer Entlassung.374 Małecki und Zielonacki wurden daher am 1.
Januar 1853 von der Krakauer Universität relegiert. Mit ihnen wurden noch
zwei weitere Professoren aus politischen Gründen aus ihrem Amt entfernt.375
Die ganze Angelegenheit wirft ein bezeichnendes Licht auf die damaligen
Verhältnisse an der Krakauer Universität und auf die dortige Nationalitä-
tenproblematik.376 Gleichzeitig lassen sich dabei zahlreiche Parallelen zur
Situation im Königreich Lombardo-Venetien ziehen, wo Denunziationen
und politisch motivierte Entlassungen von Lehrern auf der Tagesordnung
standen.377 Nicht zuletzt verdeutlicht dies die Sorge vor den erstarkenden
Nationalismen in der Habsburgermonarchie, und weist so eine Parallele zur
Ernennung des Italieners Occioni auf, dessen treue politische Haltung von
Thun ja eigens hervorgehoben wurde.
Im Falle von Małeckis und Zielonackis Entlassung hatte Thun allerdings
weniger Anteil, als dies vor allem in der älteren polnischen Literatur teil-
weise behauptet wurde378, vielmehr glaubte Thun, wie sein eigenhändiges
reform und politisches Programm. Die Sprachenfrage an der Universität Krakau im Neo-
absolutismus, in: Österreichische Osthefte 20 (1978), S. 79–98, hier S. 82.
373 Vgl. dazu auch die Debatte im Ministerrat vom 27.09.1849 in Die Protokolle des österrei-
chischen Ministerrates (1848–1867). II. Abteilung (Das Ministerium Schwarzenberg), Bd.
1. Auch dort pochte Thun hartnäckig darauf, dass man missliebige Professoren nicht ein-
fach entlassen könne und verwies auf die gewährte Lehrfreiheit.
374 Vgl. zur ganzen Affäre auch bei Agnieszka Zięba, Professor Józefat Zielonacki – Ein polni-
scher Gelehrter des 19. Jahrhunderts und sein Rang in der romanistischen Rechtslehre, in:
Zoran Pokrovac (Hg.), Rechtswissenschaft in Osteuropa, Frankfurt a.M. 2010, S. 391–436,
hier S. 394–398.
375 Vgl. ebenda.
376 Vgl. ebenda S. 395–397; auch bei HeindL, Universitätsreform und politisches Programm.
377 Der Fall erinnert ein wenig an die Entlassung von Francesco Ambrosoli, die ebenfalls auf
Betreiben des Kaisers vollzogen werden musste, obwohl Thun diesen als Generaldirektor
zur Beaufsichtigung der Reformen in Mailand dringend benötigte. Vgl. mazoHL-waLLnig,
Die Österreichische Unterrichtsreform in Lombardo-Venetien 1848–1854, S. 126 und
137. Im Übrigen finden sich in den Archivbeständen des MCU gerade für den Beginn der
1850er-Jahre zahlreiche Akten, in denen Professoren und Lehrer hinsichtlich ihrer politi-
schen Meinung überprüft worden waren und vom Dienst entfernt wurden.
378 Vgl. etwa Zięba, Professor Józefat Zielonacki – Ein polnischer Gelehrter des 19. Jahrhun-
derts und sein Rang in der romanistischen Rechtslehre, S. 397. Vgl. auch Jan surman,
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen