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5.13. DIE BERUFUNG VON TOBIAS WILDAUER 277
übrig geblieben waren, galt Schenach als einer der angesehensten. Der Dich-
ter Josef Schnell hatte Schenach schon während des Vormärzes in einem
Brief an Adolf Pichler gelobt und berichtet, dass dieser seine Geschichte der
Philosophie entgegen seinen Erwartungen gut vortrage.561 Allerdings musste
Schenach für die zahlreichen philosophischen Kunstgriffe, mit denen er zwi-
schen den verschiedenen philosophischen Strömungen der Zeit lavierend zu
vermitteln suchte, und seinem Versuch, eine rationale Begründung für ka-
tholische Glaubenssätze zu finden, auch Kritik hinnehmen. So bezeichnete
etwa der Kaplan und Freund Schenachs, Sebastian Ruf562, das Werk in An-
lehnung an dessen Titel als „absoluten Kretinismus“563. Alois Flir, ebenfalls
ein Freund, sah Schenach in Gefahr allzu sehr in einen Rationalismus abzu-
gleiten, der ihm ähnlich wie Anton Günther564 die Gegnerschaft der kirchli-
chen Autoritäten verschaffen könnte.565 Thun aber, so glaubte Adolf Pichler,
fand Gefallen an dem „Vermittlungsphilosophen“566 Schenach, und ihm habe
der „Eiertanz zwischen Theologie und Philosophie so gut [gefallen, C.A.], daß
er Schönach als Leibphilosophen nach Wien berief“567.
Aufmerksam wurde Thun auf Georg Schenach wohl durch einige Tiroler
in Wien, auf deren Urteil Thun großen Wert legte, darunter besonders Albert
Jäger und Josef Fessler.568 Schon Goller hatte angeführt, dass Letzterer „wohl
nicht unbeteiligt“569 an der Berufung gewesen war, eine Vermutung die sich
durch einen Brief von Vinzenz Gasser570 an Fessler aus dem Jahr 1855 bestä-
tigen lässt.571 Schon im Sommer 1853 hatte sich Thun allerdings bei Moy in
561 Vgl. PicHLer, Zu meiner Zeit, S. 232.
562 Sebastian Ruf (Absam 1802–1876 Hall), Priester, zunächst Seelsorger in Leutasch und
Tobadill, ab 1837 Hauskaplan in der Provinzial-Irrenanstalt in Hall, Verfasser mehrerer
Arbeiten zur Kriminalpsychologie.
563 Wiedergegeben bei PicHLer, Zu meiner Zeit, S. 127.
564 Anton Günther (Lindenau 1783–1863 Wien), Student von Bernard Bolzano und Klemens
Maria Hofbauer, 1821 Priesterweihe, anschließend Begründung einer Philosophie zur rati-
onalen Begründung des Christentums, 1857 päpstliche Verurteilung der Lehren Günthers.
565 Vgl. dazu vor allem bei goLLer, Die Lehrkanzeln für Philosophie an der Philosophischen
Fakultät der Universität Innsbruck, S. 28–29.
566 Zuerst PicHLer, Zu meiner Zeit, S. 127, dann goLLer, Die Lehrkanzeln für Philosophie an
der Philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck, im Titel seines Beitrages.
567 PicHLer, Zu meiner Zeit, S. 127.
568 Auch Alois Flir, der damals allerdings schon seit einer Weile nicht mehr in Wien war,
schrieb an Schenach, dass er „einer derjenigen war, die auf deine Berufung nach Wien beim
Ministerium mit Nachdruck drangen“. Rapp, Alois Flir, S. 77.
569 goLLer, Die Lehrkanzeln für Philosophie an der Philosophischen Fakultät der Universität
Innsbruck, S. 32.
570 Vinzenz Gasser (Inzing 1809–1879 Brixen), 1836–1855 Prof. der Theologie am Priesterse-
minar in Brixen, ab 1855 Domkapitular, ab 1856 Fürstbischof von Brixen.
571 Dass Fessler mit Thun in der Sache Schenach in Kontakt stand, beweist auch der Brief
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen