Seite - 287 - in Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860 - Aufbruch in eine neue Zeit
Bild der Seite - 287 -
Text der Seite - 287 -
5.13. DIE BERUFUNG VON TOBIAS WILDAUER 287
Denn dass er Jahn’s Arbeit nicht gekannt oder absichtlich nicht benutzt habe,
das wird uns Hr. Wildauer kaum glaublich machen können, ja nicht einmal
wollen. Wir haben sogar vollkommene Gewissheit, dass der Hr. Verfasser
nicht bloß Jahn’s Ausgabe, sondern auch die Beurtheilung derselben, die wir
erst nach Verlauf einer geraumen Zeit in diesen Blättern gaben, kennt und
benutzt hat.615
Die bewusste Täuschung erkannte Ludwig darin, dass Wildauer mehrfach
betont habe, sein Manuskript sei bereits 1856 vollendet gewesen und er da-
mit die Benutzung der Arbeit von Jahn auch noch verschleiern wollte. Ficker
widersprach dieser Darstellung aufs Heftigste und versicherte, dass er selbst
das Manuskript schon vor der Drucklegung gekannt habe. Ficker schreibt
weiter, dass er nach Bekanntwerden der Vorwürfe Wildauers Manuskript,
besonders die zweifelhaften Stellen, nochmals kontrolliert habe und keine
Unregelmäßigkeiten feststellen konnte, was die Unschuld Wildauers be-
weise. Um der falschen Darstellung entgegenzutreten, hatte sich Ficker ent-
schlossen, persönlich an den Minister zu schreiben, er wollte nämlich ver-
hindern, dass eine mögliche Berufung von Wildauer auf den Lehrstuhl für
Philosophie durch die Angelegenheit gefährdet würde. Ficker befürchtete
sogar, dass hinter der Rezension ein gezielter Akt stünde, die „Ernennung
W[ildauer]’s zu hindern oder zu verzögern“616. Dieser Anklage durch Ludwig
stellte Ficker eine Lobrede auf Wildauer gegenüber und bat den Minister, in
der Frage der Vertretung des Lehrstuhls für Philosophie endlich eine Ent-
scheidung herbeizuführen. Denn obschon Wildauer „mit einem Eifer, wel-
cher mich [Ficker, C.A.] für seine Gesundheit fürchten machte“, die Vertre-
tung der Lehrkanzel ausübte, entmutigte ihn zunehmend die Unsicherheit
seiner Stellung. Und Angriff und Verleumdungen gegen seine Person hätten
ihn nun noch härter getroffen, so Ficker abschließend.
Was nun die Befürchtungen Fickers betreffen, Wildauer sei gezielt und
mit Absicht angegriffen worden, so lassen sich diese auf die Briefe von sei-
nem Freund Anton Goebel zurückführen, der ihm im Jahr zuvor berichtet
hatte, wie sehr Bonitz und seine Schüler die Fäden in Wien zögen und jeden,
der nicht aus der Bonitz’schen Schule kam, diskreditierten und zu behindern
suchten. Denn der Autor der Rezension, Alfred Ludwig, war ebenso ein Schü-
ler Bonitz’ wie der ‚Plagiierte‘, Eduard Jahn. Ludwig hatte im Übrigen auch
Jahns Ausgabe in der Gymnasialzeitschrift rezensiert.617 Bonitz selbst wusste
615 Ludwig, Platon’s Protagoras.
616 Ficker an Thun, Innsbruck 15.06.1858, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI D453,
Staatliches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
617 Siehe Alfred Ludwig, Platon’s Protagoras mit Einleitungen und Anmerkungen von Ed.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen