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5.13. DIE BERUFUNG VON TOBIAS WILDAUER 291
vollkommen, für eine Trennung von Staat und Kirche in Unterrichtsfragen
ein, etwa als es 1874 um die staatliche Ernennung von Schulräten in Tirol
ging.630 In der Frage der Unabhängigkeit von Wissenschaft und Kirche kor-
respondierte er im Übrigen auch mit Jakob Frohschammer631, der sich mit
seiner Schrift Über die Freiheit der Wissenschaft (1861) die Feindschaft der
Kirche und letztlich die Suspension von allen geistlichen Ämtern und 1871
sogar die Exkommunikation zuzog.632 Neben seinen öffentlichen Auftritten
und Reden haben vor allem die Äußerungen von Adolf Pichler die Erinne-
rung an Wildauer geprägt633. Pichler hatte nämlich zeitlebens das Wirken
Wildauers kommentiert, vor allem aber kritisiert. Von ihm stammt auch die
Charakterisierung Wildauers als Opportunisten, der sich durch seine Anbie-
derung an die katholische Restauration den Posten als Professor verschafft
hatte – womit sich Pichler deutlich absetzen konnte, zumal er selbst fast
zwei Jahrzehnte auf eine Professur warten musste, weil er eine solche An-
biederung nicht vollzogen hatte.634
Wie Thun auf diesen Umschwung und Wildauers Hinwendung zu den
Liberalen reagiert hat, ist nicht bekannt, jedenfalls ist nicht zu erwarten,
dass Wildauer – eingeschränkt durch seine zahlreichen politischen Ver-
pflichtungen – sein im Vorfeld seiner Berufung stets gelobtes ausgezeich-
netes und inniges Verhältnis zu den Studierenden aufrechterhalten konnte.
Auch wissenschaftlich trat er einzig mit einer Monographie zur Psychologie
des Willens bei Sokrates, Platon und Aristoteles635 und einem Aufsatz in den
Philosophischen Monatsheften hervor.636 Eine gewisse Prominenz erlangte
Wildauer daher nicht auf wissenschaftlicher Ebene, sondern auf dem politi-
schen Parkett. Schlagartig bekannt machte ihn sein Auftritt beim Allgemei-
630 Vgl. besonders Josef fontana, Der Kulturkampf in Tirol, Bozen 1978, S. 258–262; goLLer,
Die Lehrkanzeln für Philosophie an der Philosophischen Fakultät der Universität Inns-
bruck, S. 42.
631 Jakob Frohschammer (Illkofen 1821–1893 Kreuth), Priester und Theologe, ab 1855 Prof.
für Philosophie an der Universität München.
632 Frohschammer an Wildauer, München 19.03.1861, Nachlass Wildauer – Korrespondenz
A–H, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum; Frohschammer an Wildauer, München
22.05.1861, Nachlass Wildauer – Korrespondenz A–H, Tiroler Landesmuseum Ferdinan-
deum.
633 Auch Goller hat besonders die gedruckten Briefe und Tagebücher benutzt.
634 Vgl. PicHLer, Aus Tagebüchern, S. 27.
635 Tobias wiLdauer, Psychologie des Willens bei Sokrates, Platon und Aristoteles, Innsbruck
1877/1879.
636 Tobias wiLdauer, Beiträge zur Geschichte der Philosophie. Ob Plato ein Begehrungsver-
mögen angenommen habe, in: Philosophische Monatshefte 9 (1874), S 229–245. Vgl. zu
wissenschaftlichen Leistungen Wildauers insgesamt bei goLLer, Die Lehrkanzeln für Phi-
losophie an der Philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck, S. 44–49.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen