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5 DIE PERSONALPOLITIK LEO THUNS AN DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
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von 1848 in Wien führend unter den Studenten hervorgetreten.648 Während
des Schleswig-Holsteinischen Kriegs machte er von sich reden, als er auf
eigene Faust nach Norddeutschland gereist war, um sich, wie man glaubte,
am Krieg zu beteiligen. Seine deutschnationale Gesinnung war allgemein
bekannt. Daher versuchten die Professoren etwaige Bedenken gegen Pichler
von vornherein zu zerstreuen, indem das Kollegium versicherte, dass man
sich zwar des zweifelhaften öffentlichen Rufes Pichlers bewusst sei, der per-
sönliche Umgang mit ihm seither aber gezeigt habe, dass dieser vollkom-
men harmlos sei. Das Professorenkollegium versicherte, „daß seine [Pich-
lers, C.A.] Gesinnung zwar vorwiegend deutsch, aber lauter und gemäßigt
ist, und daß sein Einfluß, den er auf junge Leute ausüben dürfte, fort und
fort ein günstiger“649 werden dürfte.
Nachdem die Fakultät ihren Vorschlag nach Wien gesandt hatte, geschah
allerdings nichts. Weder wurde die Fakultät informiert, ob nun eine Lehr-
kanzel eingerichtet werden würde oder nicht, noch äußerte man sich zum
Vorschlag – zumindest lässt sich in den Akten nichts nachweisen. Auch für
Innsbruck lässt sich weiter keine Reaktion mehr feststellen. Die Fakultät
plagten damals allerdings andere Sorgen, vor allem versuchte man beim Mi-
nisterium zu erreichen, dass die bereits bestehenden Lehrkanzeln versorgt
würden. Man denke an die lange sich hinziehenden Querelen um die Wie-
derbesetzung des Lehrstuhls für Geschichte.650 Außerdem besorgte Joseph
Nowotny zu der Zeit Vorlesungen über deutsche Sprache für italienische
Studenten, sodass zwar nicht für eine wissenschaftliche Behandlung der
deutschen Sprache und Literatur gesorgt, das Fach aber zumindest einiger-
maßen vertreten war.651
Gleichzeitig ist auch anzunehmen, dass das Votum für Pichler im Minis-
terium auf wenig Gegenliebe gestoßen war, denn im Jahr zuvor hatte Thun
648 Pichler hatte damals auch eine Kompanie von Tiroler Studenten aus Wien angeführt. Diese
zog gemeinsam mit den Tiroler Schützen und der Studentenkompanie aus Innsbruck an
die Südgrenzen des Landes, um Tirol vor einem Übergreifen der Aufstände in Norditalien
zu schützen. Vgl. dazu auch die Bitte der Studenten an den Kaiser, Wien o.D. [05.04.1848],
MCU. Präs. 25 ex 1848, AVA und Pichlers Selbstzeugnisse aus den Jahren: Adolf PicHLer,
Das Sturmjahr. Erinnerungen aus den März- und Oktobertagen 1848, Innsbruck 1850.
649 Böhm an das MCU, Innsbruck 08.06.1851, Statthalterei Studien 5303 ad 198/1851, Tiroler
Landesarchiv.
650 Vgl. auch Hauptbericht über den Zustand der philosophischen Fakultät im Studienjahr
1850/51, Innsbruck 23.12.1851, Akten der Philosophischen Fakultät 16, 72/PH ex 1851/52,
Universitätsarchiv Innsbruck, wo die Einrichtung des Lehrstuhls für deutsche Sprache
nicht erwähnt wird.
651 Vgl. dazu Kapitel 3.4.1. Siehe auch Bericht über das Studienjahr 1848/49 (Konzept), Inns-
bruck 11.11.1849, Akten der Philosophischen Fakultät 16, 22/PH ex 1849/50, Universitäts-
archiv Innsbruck.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen