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5.14. DIE SCHAFFUNG DES LEHRSTUHLS FÜR DEUTSCHE PHILOLOGIE 297
noch die Entfernung von Adolf Pichler aus dem Lehramt gefordert, was bis-
her in der Literatur nur am Rande erwähnt worden ist.652 Sehen wir uns da-
her diese Episode etwas genauer an. Am 21. November 1850 hatte Thun den
Statthalter in Innsbruck Cajetan Bissingen telegrafisch um eine Auskunft
über Adolf Pichler, im Besonderen über dessen Einfluss auf die Jugend, ge-
beten.653 Am 3. Dezember wiederholte er diese Bitte auf brieflichem Weg.654
Am 15. Dezember forderte Thun Bissingen schließlich auf, Pichler so schnell
es die Umstände zuließen aus dem Lehramt zu entfernen. Diese Entlassung
Pichlers kam für Bissingen überraschend, denn noch am 7. Dezember hatte
er mittels Brief versucht, Thuns Bedenken zu zerstreuen.655 Bissingen hatte
darin zwar bestätigt, dass Pichler sich in den Wiener Märztagen führend
hervorgetan hatte, aber der Statthalter tat das als Schwärmerei eines jun-
gen Mannes ab. Seither habe Pichler aber eine „weit ruhigere, conservati-
vere Haltung angenommen“656, teilte Bissingen mit. Der Statthalter schil-
derte anschließend eindrücklich, was er über Pichler in Erfahrung bringen
konnte. So wie im Übrigen der ganze Text eine eindrucksvolle Bestätigung
ist, wie sehr die Überwachungsmethoden des Vormärzes auch noch in diesen
Jahren praktiziert wurden, wenn nicht nur Pichlers Einfluss auf die Jugend
beschrieben wird, sondern auch dessen Äußeres und seine privaten Verhält-
nisse referiert werden:
Als Dozent wird er nur gelobt: er habe Eifer für sein Fach, und scheint auch
wirklich mit anderen Gegenständen nicht viel sich zu befassen, so wie auch
sein äußeres Erscheinen darauf hindeutet, daß er mehr für sich und seine
Studien lebt. [...] In sittlicher Beziehung ist mir nie eine Klage über Pichler
zugekommen, ebenso nicht in religiöser. Ich werde mich aber nicht täuschen,
wenn ich in ihm gerade keinen Eiferer für die katholische Sache zu erkennen
glaube. Wenigstens erstrecken sich – meiner Erfahrung gemäß – liberale po-
litische Grundsätze auch gewöhnlich auf das religiöse Feld. Von einem beson-
deren Einfluß Pichlers auf die Jugend konnte ich durchaus nichts erfahren.
Die Naturwissenschaften, die er am Obergymnasium lehrt, geben auch nicht
leicht Anlaß, politische Grundsätze in den Vortrag einzuweben. Auch lebt er
652 Nur Bundsmann, Die Landeschefs von Tirol und Vorarlberg in der Zeit von 1815–1913, S.
35.
653 421/1444. Thun an Bissingen (Telegramm), Wien 21.11.1850, Gubernium, Geheime Präsi-
diale, Serie II, Sign. XXVII1, Fasz. III, Tiroler Landesarchiv.
654 558/M.U. Thun an Bissingen, Wien 03.12.1850, Gubernium, Geheime Präsidiale, Serie II,
Sign. XXVII1, Fasz. III., Tiroler Landesarchiv.
655 157/Geh. Präs. Bissingen an Thun (Konzept), Innsbruck 07.12.1850, Gubernium, Geheime
Präsidiale, Serie II, Sign. XXVII1, Fasz. III., Tiroler Landesarchiv.
656 Ebenda.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen