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5.14. DIE SCHAFFUNG DES LEHRSTUHLS FÜR DEUTSCHE PHILOLOGIE 299
Johann Mayr663, der Bissingen ebenfalls versichert hatte, dass Pichlers Um-
gang mit der Jugend bisher keinerlei Anlass zur Besorgnis gegeben hatte
und dass weder kurz- noch mittelfristig ein geeigneter Ersatzmann für Pich-
ler gefunden werden könne, da die Naturwissenschaften bisher vernachläs-
sigt worden waren.664
Die doppelte Versicherung von Pichlers Unbedenklichkeit und der Lehrer-
mangel konnten Thun letzten Endes umstimmen und Pichler wurde nicht
entlassen. Allerdings scheint es wenig wahrscheinlich, dass bei Thun sämt-
liche Zweifel zerstreut worden waren und wohl eher der Mangel an Lehrern
dazu geführt hatte, dass Pichler auf seinem Posten bleiben konnte. Das Fach
Naturgeschichte bot (zumindest zu diesem Zeitpunkt) außerdem wenig Ge-
legenheit für die Behandlung von weltanschaulichen Fragen. Beide Gründe
dürften umgekehrt aber auch dazu geführt haben, dass der Vorschlag, ihm
die Lehrkanzel für deutsche Sprache zu verleihen, nicht angenommen wor-
den war. Denn eine Ernennung auf den Lehrstuhl hätte im Grunde zum
selben Problem geführt, keinen Ersatz für ihn am Gymnasium zu haben.
Und die ausreichende Versorgung der Gymnasien mit Lehrern hatte sicher-
lich Priorität, zumal an der philosophischen Fakultät nur wenige Studenten
studierten, wohingegen die Gymnasien sich über zu geringe Schülerzahlen
nicht beschweren konnten.
Letztlich ist jedoch nicht klar, warum die Kanzel nicht errichtet wurde.
Als Erklärungen dafür erscheint jedoch eine Reihe von Gründen als plausi-
bel: Der Vorschlag der Universität stieß nicht auf Zustimmung im Ministe-
rium und andere Kandidaten waren offenbar schwer zu finden, zudem war
der Bedarf nach einer solchen Kanzel nicht so groß. Dass für Thuns Ansprü-
che geeignete Kandidaten schwer zu finden waren, zeigt auch der allerun-
tertänigste Vortrag Thuns für die Ernennung von Oskar Redwitz auf den
Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur an der Wiener Universität. In
dem Vortrag hob er nämlich eigens hervor, wie schwer es sei, Professoren für
diese Disziplin zu finden, und gerade die Wichtigkeit des Faches nötige zu
großer Vorsicht, denn, so schreibt Thun:
663 Johann Nepomuk Mayr (Brixen 1792–1853 Feldkirch), Priester, ab 1815 Prof. humanitates
am Gymnasium in Innsbruck, ab 1841 Gymnasialpräfekt in Feldkirch, 1848 Gymnasial-
präfekt in Innsbruck, 1849–1851 Schulrat in Innsbruck. Siehe Hans Hintermaier, Fallme-
rayers Briefe an Anselm Prugger von Pruggheim und Valentin Forer, in: Festschrift zur
Ehren Hofrat Prof. Dr. Otto Stolz (=Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum 31),
Innsbruck 1951, S. 279–288, hier S. 287.
664 Nr. 175/Geh. Präs. Bissingen an Thun (Konzept), Innsbruck 20.12.1850, Gubernium, Ge-
heime Präsidiale, Serie II, Sign. XXVII1, Fasz. III, Tiroler Landesarchiv.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen