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5 DIE PERSONALPOLITIK LEO THUNS AN DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
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sei durch seine Mutter, eine „fanatische Anhängerin der Revolution“701, zu
eben einem solchen Anhänger geworden und zudem schon als Student in
Heidelberg durch seine arrogante Haltung negativ aufgefallen.702 Der Mi-
nister hatte die Sache zum Zeitpunkt des Briefes allerdings schon im oben
erwähnten Sinn entschieden, was Moy vielleicht wegen der Weihnachts- und
Neujahrsfeiertage, die zwischen der Entscheidung Thuns und dem Brief
Moys lagen, noch nicht erfahren hatte.
Die Reaktion von Thaler ist uns nicht bekannt. Adolf Pichler, der mit Tha-
ler regelmäßig korrespondierte, versicherte diesem indes, dass sein Gesuch
in Innsbruck und Wien „ordentlich eingeschlagen“ hatte, konnte ihn aber
nur wenig trösten, sondern verwies auf sein eigenes Schicksal, den klerika-
len Einflüssen an der Universität selbst gleich mehrmals zum Opfer gefallen
zu sein.703 Auch in Thalers ‚Wurzbach-Biografie‘704 wurde der gescheiterte
Versuch, sich in Innsbruck zu habilitieren, mit einer Spitze gegen das Unter-
richtsministerium kommentiert:
Seine [Thalers, C. A.] nächste Absicht ging nun dahin, sich an der Innsbrucker
Hochschule als Privatdozent für germanistische Fächer zu habilitieren. Aber
es waltete eben damals in Oesterreich in Schul- und Unterrichtssachen die
denkwürdige Aera, in welcher man alles Mögliche aus dem ‚Reiche draußen‘
importierte, die tauglichsten Talente im Vaterlande unberücksichtigend las-
send, oder, wie es dem Schreiber dieses geschah, geradezu abweisend, und so
schlug auch Thaler’s Versuch, im Lehramte festen Fuß zu fassen fehl.705
Dies sowie die Klage Thalers zeugen davon, dass Thaler die Abweisung des
Gesuchs nicht auf rechtliche Bedenken, sondern auch auf den politischen
Einfluss und auf die Bedenken gegen seine Person zurückgeführt hatte. Die
Warnung von Moy würde hierzu freilich gut ins Bild passen, allerdings war,
wie bereits erwähnt, die Entscheidung im Ministerium schon vor der War-
nung des Professors getroffen worden. Die Warnung von Moy verdeutlicht
neuerlich, dass man in Innsbruck nichts vom Vorstoß Thuns, eine Lehr-
701 Ebenda.
702 Ebenda.
703 Vgl. Pichler an Thaler, Innsbruck 21.031861, Wienbibliothek, Handschriftenabteilung.
704 Wurzbach stützte sich bei seinen Biografien meist auf einen Lebenslauf, den er von der
entsprechenden Person erbeten hatte. Vgl. zur Arbeitsweise von Wurzbach bei Elisabeth
LeBensaft/Hubert reitterer, Wurzbach-Aspekte, in: Österreichisches Biographisches Le-
xikon (= Sonderdruck aus Wiener Geschichtsblätter 47.1), 1991, S. 11–12. Vgl. Thaler an
Wurzbach, Wien 25.06.o.J., 25685, Wienbibliothek, Handschriftenabteilung.
705 Thaler, Karl von, in: Constant Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserreichs Öster-
reich, Bd. 44, Wien 1882, S. 138–140.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen