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5.15. DIE LEHRKANZELN FÜR ZIVILRECHT 313
lastet werden könnte. Die Tiroler Landesbehörden standen dem Vorschlag
der Fakultät allerdings ablehnend gegenüber und brachten im Ministerium
mehrere Einwände gegen den Antrag vor: Man sprach sich einerseits gegen
die Errichtung einer neuen Kanzel aus, da man nicht glaubte, dass Waser
mit seinem Unterricht überlastet sei, zumal er damals zusätzlich zu seiner
Tätigkeit an der Universität als unbesoldeter Referent beim Innsbrucker
Stadt- und Landrecht diente. Man glaubte daher im Landespräsidium: „Er
[Waser, C.A.] will daher mehr Zeit für Gegenstände, für welche er eigentlich
nicht besoldet und angestellt ist.“732 Andererseits hegte man gegenüber der
Person Pfaundler Misstrauen, dieser sei nämlich zwar
ein Mann nicht ohne Fleiß, Kenntnis und Literatur, namentlich auch publizis-
tischer Thätigkeit, steht aber hierlands im Rufe zur radikal-liberalen Partei
zu gehören, und ist bei Volk und Geistlichkeit nicht in gutem Geruche. Auch
vernehme ich und sehe aus den Akten, daß er um die Supplierung der Lehr-
kanzel des wieder nach Frankfurt abgehenden Dr. und Professor Kerer an-
suchte, aber vom jur. pol. Studien-Direktor hierzu nicht gewählt worden ist.733
Überdies glaubte man, dass die Universität nach der neuen gesetzlichen
Regelung lediglich befugt sei, Besetzungsvorschläge für bereits bestehende
Lehrkanzeln zu vergeben. Das Ministerium bewilligte nach diesen zahlrei-
chen Einwänden den Antrag nicht, sondern verwies in der Antwort vom 8.
Jänner den Antragsteller auf die Verordnung zur Anstellung von Privatdo-
zenten734, die in der Zwischenzeit am 19. Dezember 1848 erlassen worden
war: Demnach stünde es der Universität frei, habilitierte Privatdozenten
anzustellen. Damit war der Wunsch von Pfaundler auf eine akademische
Laufbahn neuerlich nicht in Erfüllung gegangen, denn er hätte sich erst ha-
bilitieren und dann die unsichere Laufbahn eines Privatdozenten einschla-
gen müssen, was ihm offenbar wenig attraktiv erschien.
Wenig später erhielt er allerdings eine Stelle in der öffentlichen Verwal-
tung. Im Jahr 1850 trat er eine Stelle als Staatsanwalts-Substitut an, die
er jedoch auf Grund der Reorganisation des Justizwesens 1854 verlor. Als
Ersatz wurde ihm eine Advokatenstelle in Innsbruck verliehen.735
732 Brandis an MCU, Innsbruck 26.11.1848, MCU Allg. Sign. 5, Fasz. 996, Österreichisches
Staatsarchiv.
733 Ebenda.
734 Erlass des provisorischen Ministers für Unterricht vom 19. Dezember 1848, RGBl 37/1848.
735 Majestätsvortrag, Wien 06.12.1857, MCU Präs. 514/1858, Österreichisches Staatsarchiv,
Allgemeines Verwaltungsarchiv. Vgl. auch oBerkofLer, Die Vertretung des österreichi-
schen Zivilrechts an der Innsbrucker Universität, S. 118.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen