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5 DIE PERSONALPOLITIK LEO THUNS AN DER UNIVERSITÄT INNSBRUCK
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Die Eindrücke der Wiener Oktoberereignisse 1848 hatten zudem eine ge-
wisse innerliche Kehrtwende Pfaundlers hervorgerufen, sodass sich seine li-
beralen Ansichten des Vormärz – ähnlich wie bei Johann Schuler – deutlich
abschwächten. Gerhard Oberkofler sieht sogar ein Übertreten „in den Dienst
der Reaktion“736, was er vor allem an Pfaundlers publizistischer Tätigkeit
in den Jahren nach 1848 ablesen will. Weniger deutlich ist Thomas Götz,
der Pfaundler in der Zeit des Neoabsolutismus zur Gruppe des erwachen-
den Bildungsbürgertums zählt, das gemeinsam mit dem finanziell potenten
Wirtschaftsbürgertum zur führenden Gruppe in den Städten werden sollte
und bei dem sich gemäßigt liberale Ansichten verbunden mit einem neuen
bürgerlichen Selbstbewusstsein finden lassen.737
Mit Entschließung vom 9. Jänner 1858 wurde Pfaundler schließlich die
Lehrkanzel für österreichisches Zivilrecht an der Innsbrucker Universität
verliehen. Die Abkehr von radikal-liberalen Ansichten war dafür eine not-
wendige Voraussetzung gewesen. Es war allerdings auch die Not an geeig-
neten Kandidaten für die Lehre des österreichischen Zivilrechts, die eine
Ernennung von Pfaundler ermöglichten.738 Das zeigt auch, dass Pfaundler
bei seiner Berufung das Höchstalter für die Aufnahme in den Staatsdienst
eigentlich schon überschritten hatte.739 Die Berufung Pfaundlers wurde
spätestens mit Bekanntmachung derselben in der Wiener Zeitung am 22.
Jänner 1858 in Innsbruck bekannt. Dies rief umgehend Baron von Moy auf
den Plan, der schon am 28. Jänner 1858 bei Thun gegen die Ernennung von
Pfaundler protestierte.740 Moy betonte gegenüber dem Minister, dass „un-
ter den Freunden“741 der Universität die Ernennung von Pfaundler wenig
Freude hervorgerufen habe, da dessen liberale Gesinnung im Jahr 1848 bei
Moy und seinen Freunden offenbar noch lebhaft in Erinnerung war. Außer-
dem, so Moy weiter, sei der Ruf Pfaundlers als Jurist durchaus zweifelhaft.
Um die Wirkung seines Protests zu verstärken, schrieb Moy zwei Tage dar-
auf an Josef Fessler, damit dieser ebenfalls Thun gegenüber sein Missfallen
gegen die Ernennung von Pfaundler ausspreche:
Ich komme, im Interesse der guten Sache und unserer Universität, Sie um
Ihre Verwendung beim Grafen Thun zu ersuchen. Sie werden nicht ohne eini-
736 Vgl. ebenda, S. 118.
737 Vgl. dazu götz, Bürgertum und Liberalismus in Tirol 1840–1873, S. 254–255 auch S. 313.
738 Majestätsvortrag, Wien 06.12.1857, MCU Präs. 514/1858, Österreichisches Staatsarchiv,
Allgemeines Verwaltungsarchiv.
739 Vgl. dazu oBerkofLer, Die Vertretung des österreichischen Zivilrechts an der Innsbrucker
Universität, S. 119. Im Allgemeinen lag dieses zwischen 18 und 40 Jahren.
740 Moy an Thun, Innsbruck 28.01.1858, Nachlass Leo Thun-Hohenstein, A3 XXI D445, Staat-
liches Gebietsarchiv Leitmeritz, Zweigstelle Tetschen-Bodenbach.
741 Ebenda.
Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
Aufbruch in eine neue Zeit
- Titel
- Die Universität Innsbruck in der Ära der Thun-Hohenstein’schen Reformen 1848–1860
- Untertitel
- Aufbruch in eine neue Zeit
- Autor
- Christof Aichner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20847-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 512
- Schlagwörter
- University of Innsbruck, University Reforms, Thun-Hohenstein, Leo, Universität Innsbruck, Reform, Universitätspolitik, Thun-Hohenstein
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen